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Mitternachtsschatten

Mitternachtsschatten

Titel: Mitternachtsschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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Wohnzimmer hingegen waren die Möbel mit Tüchern abgedeckt und an die Wand geschoben, der ganze Raum war über und über mit Staub bedeckt. Wer zum Teufel würde es sich dort gemütlich machen?
    Die Geister. Es gab keine andere Erklärung. Das unwirkliche Licht, die unheimliche Stille, und das Wissen, dass irgendjemand da war. Also hatte sie sich zuerst ein wenig betrinken müssen, um sie endlich sehen zu können. Na schön. Nach achtzehn Jahren war sie also kurz davor, endlich die berühmten Geister der Casa de las Sombras zu sehen, und niemand, niemand konnte sie davon abhalten. Zu lange hatte sie auf diese Gelegenheit gewartet.
    Jilly spähte durch den Türbogen, das halb leere Glas noch in der Hand. Das Haus wirkte völlig verlassen, abgesehen von dem Lichtschein ganz hinten in der Ecke, hinter dem Sofa mit der hohen Lehne. Das Tuch lag zerknittert auf dem staubigen Boden, und sie bekam es mit der Angst zu tun. Sollte sie nicht doch besser nach oben gehen und Roofus holen? Oder gleich oben bleiben.
    Bewegungslos stand sie da und lauschte. Es hieß, die Geister des La Casa seien ziemlich laute Gesellen; wenn sie also auf dem Sofa saßen, dann müsste sie doch irgendetwas hören. Davon abgesehen – was taten sie denn wohl da auf dem Sofa? Gerüchten zufolge waren Brenda de Lorillard und ihr Liebhaber des Öfteren dabei gesehen worden, wie sie nackt der Liebe frönten, und das Jahrzehnte, nachdem man sie tot aufgefunden hatte. Zwar wollte Jilly die beiden unbedingt endlich sehen, sie aber nicht gerade beim Liebesakt überraschen!
    Nichts. Kein Ton. Das Licht leuchtete konstant, und sie bewegte sich, wie eine Motte vom Licht angezogen, darauf zu; sie konnte sich nicht dagegen wehren. Sie hatte das Zimmer schon halb durchquert, als ihr klar wurde, dass es sich nicht um ein unheimliches, gespenstisches Licht handelte. Irgendjemand hatte einfach den Stecker einer Tischlampe in die Dose gesteckt. Die Glühbirne hatte wahrscheinlich nur vierzig Watt und konnte das schattige Dunkel kaum erhellen. Na gut, dann gab es also eine ganz logische Erklärung für das Licht. Erst als sie um das große Sofa herumgegangen war, stellte Jilly fest, dass diese logische Erklärung genau das war, was sie gar nicht wollte.
    Coltrane lag lang ausgestreckt auf der Couch, mit nackter Brust, unrasiert, barfuß und wunderschön. Alleine. Von Rachel-Ann war nichts zu sehen. Automatisch trat Jilly einen Schritt zurück und stolperte über einen Sessel. Seine Augen öffneten sich, aber sie vermutete, dass er schon gewusst hatte, dass sie da war.
    „Was trinken Sie da?“ murmelte er.
    „Cognac.“
    Er setzte sich auf und lehnte sich gegen die großen Kissen. In dem gedämpften Licht der Lampe glänzte der zerschlissene Damast wie Elfenbein gegen seine goldene Haut, sein goldenes Haar. Er streckte seine Hand nach dem Glas aus, und ohne darüber nachzudenken, gab sie es ihm. Sie hatte noch nie einen Menschen gesehen, der sich so vollständig behaglich in seinem Körper fühlte. Alan hatte sich ständig herausgeputzt und nach Bewunderung gesucht. Coltrane schien sich seines Körpers kaum bewusst zu sein. Dabei ist er so schön, dachte Jilly und ließ sich in das Sofa ihm gegenüber sinken. Ein Tuch schützte es nur unzureichend gegen den Zahn der Zeit, und sie hatte ganz vergessen, wie bequem es war.
    „Wo ist Rachel-Ann?“ fragte sie.
    „Ich habe sie den ganzen Tag nicht gesehen. Ist sie verschwunden? Sollten wir uns Sorgen machen?“
    Sie ignorierte dieses „Wir“. Er hatte sich nur versprochen.
    „Sie ist heute Nacht nicht nach Hause gekommen. Ich bin davon ausgegangen, dass sie bei Ihnen ist.“
    „Wieso denn das?“
    „Sie schienen doch so sehr interessiert an ihr.“
    „Ich habe es Ihnen mehrfach gesagt, ich bin an Ihnen interessiert.“ Er rutschte etwas tiefer in die Kissen und betrachtete sie über den Rand des Glases hinweg. „Gibt es einen bestimmten Grund, warum Sie mir das nicht abnehmen? Erzählen Sie mir nicht, dass Sie nicht daran gewöhnt sind, dass Männer sich nach Ihnen verzehren. Ich würde Ihnen nicht glauben.“
    „Zumindest verzehren sie sich mehr nach meiner Schwester als nach mir.“ Jilly konnte nicht glauben, dass sie das tatsächlich laut ausgesprochen hatte. Sie hasste es, so etwas überhaupt zu denken, aber es auch noch zu sagen, war geradezu entsetzlich. Vor allem zu ihm! Das musste am Cognac liegen. Hätte sie geahnt, dass sie Coltrane treffen würde, dann hätte sie nicht so viel getrunken. „Ich

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