Mitternachtsschatten
Voyeur“, sagte Ted noch einmal.
„Du nicht weniger, Liebling. Wir haben unsere eigene Fernsehshow hier, nur dass es viel realer und interessanter ist als das ganze Zeug, das die Mädchen sich so gerne anschauen. Ich kann einfach nicht verstehen, wie jemand so versessen auf den Wetterkanal sein kann.“
„Das scheint mir aber doch wesentlich sinnvoller, als im Telefonbuch zu blättern. Ach, hör auf, mich vom Thema abzubringen. Ich vertraue diesem Coltrane einfach nicht.“
„Nein, natürlich nicht“, murmelte Brenda. „Ich habe auch nie behauptet, dass er vertrauenswürdig ist. Das sind die meisten faszinierenden Männer nicht. Aber ich glaube, er hat einen guten Kern. Mit ein bisschen Anstrengung wird er schon ganz gut zu Jilly passen.“
„Nicht zu Rachel-Ann?“
Brenda schüttelte den Kopf. „Nein, nicht zu Rachel-Ann.“
„Sollen wir etwas wegen Jilly unternehmen?“
„Sie ist oben unter der Dusche und heult. Das tut sie manchmal, denn sie glaubt, da kann sie keiner hören.“
„Vielleicht sollte ich hochgehen und …“, schlug Ted vor, und Brenda klopfte ihm warnend auf die Hand.
„Lass deine Finger von ihr, Liebling. Ich weiß, dass du in sie vernarrt bist, aber du gehörst mir.“
Er lächelte sie an. „Das stimmt. Ich wollte nur ein wenig sticheln, mein Herz. Ich habe überhaupt kein Verlangen danach, jemanden unter der Dusche weinen zu sehen.“
„Zumal sie noch immer ihr Nachthemd anhat.“
„Das sieht bestimmt ganz entzückend aus.“
Brenda gab ihm noch einen Klaps. „Benimm dich. Jilly geht es ganz gut in der Dusche. In ein paar Minuten wird sie das Wasser abstellen, ins Bett gehen und wahrscheinlich stundenlang schlafen.“
„Und Coltrane?“ Er drehte den Kopf zu dem Mann, der noch immer auf dem Sofa saß und den Sonnenaufgang mit abwesendem Gesichtsausdruck beobachtete.
„Oh, ihm geht es auch gut. Er muss einfach ein wenig nachdenken. Die Dinge entwickeln sich nicht exakt nach seinem Plan. Ich liebe es, wenn so etwas passiert.“
„So, Liebes, bist du also in seine Pläne eingeweiht!“ stellte Ted trocken fest.
„Ich kann Gedanken lesen, Darling. Ich weiß zumindest so viel, dass er, als er in dieses Haus kam, eine ganz klare Absicht hatte, und dass alles ganz anders läuft. Das macht das Ganze doch erst so aufregend!“
„Ein bisschen zu aufregend für meinen Geschmack“, sagte Ted. „Mir hat es besser gefallen, als niemand in diesem Haus wohnte. Da hatte ich dich ganz für mich alleine.“
Brenda sah ihn zärtlich an. „Du hast mich doch noch immer ganz für dich alleine. Und zwar für immer.“ Sie beugte sich zu ihm, küsste ihn und knabberte vorsichtig an seinem Ohrläppchen.
Das Licht drang durch die Rollos und malte Sonnenstreifen auf die Matratze. Rachel-Ann wollte nicht aufwachen. Ihr kam es so vor, als habe sie sich in ihrem ganzen Leben noch nie so wohl gefühlt. Alles war perfekt, es war nicht zu warm und nicht zu kalt, und der Duft von Kaffee in der Luft vergrößerte ihr Wohlbehagen nur noch. Sie öffnete die Augen und konzentrierte sich auf die Umgebung. Sie war alleine in dem Bett, sie konnte hören, wie sich jemand in der Küche zu schaffen machte.
Rico.
Sie schloss erneut die Augen und versuchte verzweifelt, wieder einzuschlafen. Normalerweise verließ sie den Mann, nachdem sie Sex gehabt hatten, sofort, schlich aus einer Wohnung oder einem Hotelzimmer in der Sekunde, in der der Mann in einen erschöpften Schlaf gefallen war. Aber diesmal war sie es gewesen, die wie tot geschlafen hatte. Davon abgesehen, dass sie keinen Sex gehabt hatten. Sie hatten sich nicht einmal geküsst. Sie war in der Sicherheit seiner Arme einfach eingeschlafen, und dadurch fühlte sie sich entblößter, als wenn sie nackt vor ihm auf dem Tisch getanzt hätte.
Rachel-Ann wollte ihm nicht gegenübertreten. Sie würde einfach so lange so tun, als schliefe sie, bis er die Wohnung verlassen hatte, und dann schnell verschwinden. Sie brauchte ihn nie mehr wiederzusehen, sie hasste diese AA-Meetings sowieso, und sollte sie doch jemals beschließen, eines zu besuchen, dann würde sie einfach weiter in den Westen von Los Angeles fahren und ein anderes besuchen. AA-Meetings waren wie Karnickel, sie vermehrten sich wie verrückt. Man konnte kaum zwei Schritte gehen, ohne über eines zu stolpern.
Sie hörte, wie er aus der Küche kam, und stellte sich schlafend. Der Kaffeeduft wurde stärker, und sie konnte sich kaum noch länger zurückhalten.
„Rachel-Ann, wach auf.
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