Mode ist ein glitzernder Goldfisch
verschlafen. »Okay, Dad.«
Als ich zehn Minuten später in meinem Pinguinschlafanzug gähnend unter die Decke krieche, hustet mein Vater. »Und wenn ich mitten in der Nacht wach würde und zum Beispiel sehen würde, dass dein Bett leer wäre, würde ich vermuten, dass ich träume, und es einer übersteigerten Fantasie zuschreiben.«
»Okay, Dad.« Ich schlieÃe die Augen und kuschle mich ins Kissen.
»Und wenn du zurückkommen würdest und â sagen wir mal â nach Promiparty riechen würdest, würde ich das am nächsten Tag nicht verraten. Niemandem.«
»Okay«, murmle ich und gleite schon in den Schlaf.
Plötzlich geht das Licht im Schlafzimmer an.
»Willst du allen Ernstes behaupten, du gehst da nicht hin?«, fragt mein Vater ungläubig mit lauter Stimme. »Gar nicht? Du schleichst dich nicht mal für ein paar Minuten raus?«
»Nein. Aber du kannst gehen, wenn du willst. Ist mir egal. Ich schlafe jetzt.«
»Na toll, red mir nur Schuldgefühle ein, warum nicht, Harriet. Red mir nur Schuldgefühle ein. Nein, es ist okay Ich muss Julia Roberts nicht kennenlernen. Ich setze mich einfach hier aufs Sofa und esse Sauerkraut.«
Ich gähne wieder. Was ist das für eine Obsession von Sauerkraut? »Okay, Dad. Mach das.«
»Mach ich«, sagt mein Vater und knipst das Licht wieder aus. »Wer braucht schon eine Promi-Mode-Party? Ich meine, wer will schon Julia Roberts kennenlernen und Martinis trinken wie ein Kinostar, wenn er hellwach auf einem Klappsofa sitzen ⦠und ⦠Sauerkraut ⦠essen â¦Â« Statt des Wortes »kann« ist nur noch ein Schnarchen zu hören, und zwar so laut, dass man meint, nebenan bohrte jemand ein Loch in die Wand.
Ich schaue zur Decke. Irgendwo da oben, viele Etagen über uns, wird eine Party gefeiert. Schöne und wichtige und berühmte Menschen, die lachen, trinken, Luftküsschen austauschen, strahlen und sich fotografieren lassen. Sie tragen schöne Kleider und essen schöne Häppchen â oder tun so. Sie leben den Modetraum.
Und es ist mir pupsegal.
Ein paar Minuten lausche ich dem Schnarchen meines Vaters.
Und dann schlieÃe ich die Augen und schlafe ein.
Wir haben den ganzen nächsten Vormittag, um uns Moskau anzusehen, das â wie ihr wisst â vollgepackt ist mit faszinierender Geschichte und Architektur. Unser Flug geht erst um vier Uhr am Nachmittag, und Yuka erklärt, es stehe uns »frei zu tun, was normale Menschen tagsüber so tun«.
Wir machen das Beste daraus. Wir gehen in den Kreml und sehen uns die Erzengel-Michael-Kathedrale an, wo die Romanow-Zaren beigesetzt wurden, und den Glockenturm Iwan der GroÃe mit der vergoldeten Kuppel, der als Mittelpunkt Moskaus gilt. Dann gehen wir zum Denkmal für Peter I. und ins Bolschoi-Theater und in einen groÃen Park, wo der See mit Eis überzogen ist, auf dem mürrische Enten hocken. Wir machen Fotos. Der fantastische Vormittag wird nur verdorben durch die Tatsache, dass ich Nat per SMS weiter anlügen muss â sie will wissen, wie es mir geht â und Annabel meinen Vater andauernd anruft und weint.
Was beunruhigend ist, denn Annabel weint nie. Nie. Diese Frau sieht im Fernsehen zu, wie Gazellen von Tigern gerissen werden, und gibt ihnen Punkte für Reinlichkeit.
»Schatz«, sagt mein Vater ins Handy, als wir gerade ein paar authentische russische Einkäufe bezahlen (ich habe ein paar handbemalte russische Puppen gekauft und mein Vater ein T-Shirt, auf dem RUSSIA HOUR steht). »Du täuschst dich: Ich verstehe durchaus, was das für eine Tragödie ist.«
Am anderen Ende der Leitung wird gequietscht, und aus der Ferne klingt es ein wenig, als würde mein Vater mit einer Maus reden.
»Tue ich doch. Aber, Schatz, es ist nur Milch. Die kannst du doch aufwischen.« Noch mehr Gequietsche. »Und wir kaufen neue Cornflakes.« Quietsch, quietsch. »Und eine neue Schale.« Quietsch, quietsch, quietsch. »Ja, in genau demselben WeiÃton, Schatz. Und jetzt hör auf zu weinen.«
Ein russischer Verkäufer fragt meinen Vater laut in gebrochenem Englisch, ob er seine ONLY-FOOLS-RUSSIA-Baseballmütze als Geschenk verpackt haben will. Am Telefon wird noch ein wenig weitergequietscht. »Hm? Geschenk?«, fragt mein Vater nervös. »Nein,Annabel. Das ist nur die ⦠die Frau im Coffeshop. Sie will wissen, ob ich mein Getränk
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