Modesty Blaise 05: Die Goldfalle
Weg freizumachen. Sie schauderte, als sie daran dachte, worin der endgültige Schritt hätte bestehen können, obwohl ihr seit langem klar war, daß es schwierig, vielleicht sogar unmöglich gewesen wäre, diesen Feind zu töten. Merkwürdigerweise hatte sich in den acht Tagen, die sie jetzt bei ihm war, nie eine Gelegenheit ergeben, und sie wußte jetzt, sie brauchte nur aus dem Bett zu steigen, und er würde sofort aufwachen.
Das spielte keine Rolle. Es war sinnlos, daß sie sich mit solchen Vorstellungen quälte, denn der endgültige Schritt war sehr leicht. Er war auch sehr sonderbar und überstieg ihr Verständnis, aber das war oft so gewesen, und sie dachte nicht länger darüber nach.
Sie bewegte sich und streckte ein Bein aus, so daß es über Willies Bein lag. Er sagte mit einer Stimme, die gar nicht schläfrig klang: «Bist du wach, Tina?»
«Ja, verzeih mir. Ich wollte dich nicht aufwecken.»
«Schon gut.» Er legte seinen anderen Arm um sie und zog sie ein bißchen näher an sich. «Es ist doch alles in Ordnung, oder?»
«Nein.» Sie sprach mit zitternder Stimme und sehr leise. «Ich Willie. Ich bin nicht in Ordnung.»
«Du? Wovon sprichst du, Liebes?»
«Ich bin nicht die, für die du mich hältst. Alles, was ich dir gesagt habe, ist erlogen. Ich heiße nicht Christina. Sondern Lisa. Ich bin keine Schwedin. Und der Autounfall war kein Unfall. Es war alles arrangiert.»
«Nicht möglich.» Seine Stimme klang eher amüsiert als verblüfft. «Warum hast du es arrangiert?»
«Ich bin Lisa Brunel.»
Sie fühlte, wie seine Muskeln sich spannten, und sagte rasch: «Drück mich an dich, Willie. Es ist schwer für mich, dir das alles zu sagen. So schwer. Ich würde es nicht fertigbringen, wenn es nicht dunkel wäre und wenn du mich nicht in den Armen hieltest …» Tränen kamen, und es waren echte Tränen. Sie barg ihr Gesicht an seiner Schulter, verwirrt und bestürzt, unfähig, sich zu erinnern, wann sie zum letztenmal geweint hatte. Selbst wenn sie mit Adrian Chance zusammen sein mußte und so tat, als weinte sie, weil es ihr weh tat, kamen keine echten Tränen.
Willie Garvin sagte: «Na, na – nimm’s nicht so schwer, Lisa. Das ist eine böse Überraschung, aber ich werde dich nicht auffressen.»
«Ich weiß.» Sie versuchte ihr Schluchzen zu unterdrücken. «Davor habe ich keine Angst, Willie.»
«Gut.» Er rückte ein bißchen zur Seite und wischte ihr mit dem Bettuch die Wange ab. «Du machst mich ja ganz naß. Sei schön ruhig und unbesorgt.»
Sie machte ein paar tiefe Atemzüge und beruhigte sich. «Ich bespitzele dich für Brunel. Ich muß es dir sagen.»
«Warum mußt du es mir sagen?»
«Weil – ich es nicht ertragen kann. Ich war glücklich mit dir, Willie. Sehr glücklich.» Es war leicht. Die Wahrheit paßte perfekt zu dem, was man ihr zu tun aufgetragen hatte. «Ich wußte nicht, daß es etwas so Wundervolles geben kann. Du spürst es, nicht?»
«Ich habe es vermutet. Was solltest du für Brunel herausfinden, Lisa?»
«Herausfinden sollte ich eigentlich gar nichts. Ich sollte dich einfach beobachten.» Sie umarmte ihn stürmisch. «Es tut mir so leid.»
«Nimm’s dir nicht so zu Herzen, Liebes. Warum will er, daß du mich beobachtest?»
«Er möchte wissen, ob du und Modesty Blaise irgend etwas mit dem Nowikow-Projekt vorhabt. Er sagt mir nicht alles, aber es hat irgendwas mit Koordinaten zu tun. Er glaubt, Pennyfeather kann sich an sie erinnern. Und ich soll Augen und Ohren offenhalten, um eine Bestätigung dafür zu bekommen.»
Willie lachte leise. «Er ist auf der falschen Fährte, Lisa. Pennyfeather hat genug damit zu tun, seinen eigenen Namen nicht zu vergessen. Und wir sind sowieso nicht interessiert. Wie lange solltest du das machen?»
«Eigentlich so lange, wie ich meine erfundene Geschichte würde aufrechterhalten können. Du weißt schon, nach Hause telegrafieren und auf die Antwort warten. Zeit gewinnen. Dir weismachen, meine Eltern seien im Ausland und würden nicht vor zehn Tagen zurückkommen. All das, was ich in der vergangenen Woche getan habe. Brunel sagte, solange ich dir gefiele würdest du nicht so schnell anfangen, Fragen zu stellen.»
«Er hat recht, nicht?» Willie drehte den Kopf und küßte sie leicht auf die Stirn. «Du sagst, es sollte so lange dauern, wie du den Schwindel aufrechterhalten könntest. Was hat sich geändert?»
Sie hob die Hand, um mit den Fingern seine Lippen zu streicheln. «Oh, Willie, Willie. Es ist vorbei. Morgen fahre
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