Modesty Blaise 11: Die Lady spannt den Bogen
benutzte. Willie Garvin lag in Boxershorts auf dem Nebenbett. Beide waren an den Armen mit in Streifen gerissenen Bettlaken ans Bettgestell gebunden.
Die Fesseln saßen zwar nicht sehr fest, aber es hätte doch mehr als ein paar Sekunden gedauert, um aus ihnen herauszuschlüpfen, und sie wurden von zwei Männern mit MPs bewacht. Am Schott neben der Tür zum Operationsraum lehnte ein Tscheche mittleren Alters in einem langen weißen Kittel. Das war Dr. Jakoubek, der mit verschränkten Armen die beiden Gefangenen interessiert betrachtete.
Sowohl der Mann als auch die Frau schienen völlig entspannt zu sein, und ihre mißliche Lage machte ihnen offenbar nichts aus. Ohne jeden Zweifel war sie ihnen jedoch voll bewußt, und sie konnten auch kaum eine Hoffnung auf Flucht hegen, weil bei der Leibesvisitation alle Waffen und sonstigen Gegenstände gefunden worden waren, die sie am Körper und in den Kleidern versteckt getragen hatten. Trotzdem machten sie einen leicht distanzierten Eindruck, als hätten sie ihre gegenwärtige Situation im Geiste verlassen. Das war sehr sonderbar, dachte Dr. Jakoubek. Eine solch phänomenale Selbstbeherrschung war ihm noch nie begegnet, und wäre er kein Materialist gewesen, so hätte er vielleicht etwas Mystisches darin gesehen. Es müßte doch interessant sein, überlegte er, an den beiden einige Experimente mit einigen der modernen Psychopharmaka zur Gehirnwäsche anzustellen.
In diesem Moment kam Oberon durch die Tür vom Korridor herein. Er hatte ein Schulterhalfter mit einem automatischen Colt Commander .45 angelegt, und seine grünen Augen glühten vor Begeisterung wie kleine Flammen. Zu den beiden Bewachern sagte er: »So, ihr wartet jetzt draußen, bis ich euch wieder hereinrufe.«
Als sie an ihm vorbeigingen, sagte er zu Dr. Jakoubek:
»Ich habe die Genehmigung, allein mit den Gefangenen zu sprechen.«
Jakoubek nickte und stieß sich von dem Schott ab, an dem er gelehnt hatte. »Ich weiß, der Colonel hat eben angerufen. Ist das die Frau, wegen der die Aktion
Baystrike
gescheitert ist?«
»Ja, das ist sie.« Oberons Stimme klang vor Haß gepreßt und belegt.
An der Tür blieb Jakoubek kurz stehen und blickte sich um, wobei er an seiner Brille zupfte. »Die beiden sind ein äußerst interessantes Paar«, bemerkte er. »Äußerst interessant.«
14
Oberon nahm zwischen den Fußenden der beiden Betten Aufstellung, und als er so auf Modesty Blaise und Willie Garvin herabblickte, durchströmte ihn eine so heftige Erregung, daß ihm davon fast schwindlig wurde. Sie beobachteten ihn mit vagen Blicken, sagten jedoch beide kein Wort. Er setzte sich auf einen Stuhl, sah von einem zum anderen und erinnerte sich.
»Morgen um diese Zeit werdet ihr alle beide tot sein«, verkündete er leise, aber voller Wut. »Hundefutter. Kaputt und am Ende. Hörst du mir zu, du arrogante Schlampe? Und die ganze Welt wird glauben, daß ihr unter den Anführern der
Watchmen
wart und während unserer morgigen Aktion getötet worden seid. Allerdings wird euch das dann wenig kümmern, denn ich werde euch mit der MP ein Dutzend Löcher in den Bauch verpaßt haben.«
Er machte eine Pause, und sie betrachteten ihn ohne großes Interesse. In ihm wallte der Zorn auf, aber er beherrschte seinen plötzlichen wilden Impuls, ihr mit dem Fuß ins Gesicht zu treten. Golitsyns Warnung sollte er lieber ernst nehmen. Er beugte sich vor und fuhr fort: »Das
Netz
war gar nichts. Eine beschissene Bande von kleinen Schmalspur-Taschendieben. Habt ihr überhaupt eine Vorstellung, wie groß die
Watchmen
sind? Wie sie es fertigbringen werden, das Antlitz dieser Erde zu ändern? Und ich bin mit dabei, oben an der Spitze, Miss Modesty Blaise! Ich bin ein sehr wichtiger Mann hier. Natürlich nicht gut genug für dich und dein Scheiß-
Netz
. Mann, ich hätte deine ganze Organisation so umkrempeln können, daß die Mafia daneben wie ein Grüppchen Automatenknacker ausgesehen hätte, und du hast mein Angebot ignoriert, du dumme Kuh.«
Oberon lehnte sich zurück und atmete schwer. Seine Stimme zitterte etwas, und das gefiel ihm nicht. Er war der Sieger, also konnte er es sich eigentlich leisten, seinen Triumph mit kühlem Kopf auszukosten. »Ich bin ein wenig enttäuscht«, fuhr er mit mehr Beherrschung fort, »weil wir gelegentlich Einzelduelle zwischen den
Watchmen
veranstalten, und dazu wollte ich dich eigentlich gerne herausfordern. Dich und Garvin, beide zusammen. Ich hätte euch besiegt, weißt du …«
Auf einmal packte
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