Modesty Blaise 11: Die Lady spannt den Bogen
Mittelsmann gibt. Überlegen Sie doch mal, wir nehmen ja lediglich an, daß er hinter mir her gewesen ist.
Als Leiter einer Geheimdienstabteilung sind Sie doch ein viel wahrscheinlicheres Ziel für einen Anschlag von irgendwelchen Terroristen, und wenn Sie die Polizei dieser logischen Vermutung nachgehen lassen, dann werden sie das Ganze vertuschen und ihre Untersuchungen geheimhalten.«
Tarrant rieb sich nachdenklich am Kinn. »Sie wollen also, daß ich der Polizei eine falsche Information geben soll.«
Dinah sagte: »Also, nun stellen Sie sich nicht so an. Immerhin sind Sie dem Mädchen wirklich eine Menge schuldig.«
Tarrant seufzte. »Das ist wahr. Na gut, dann gehe ich jetzt eine Telefonzelle suchen.«
»Warten Sie.« Modesty streifte ihr Kleid wieder über und drehte ihren Rücken zu Collier, damit er den Reißverschluß hochzog, dann schlüpfte sie mit nackten Füßen in ihre Schuhe. »In meinem Rolls ist ein Telefon«, sagte sie. »Hier sind die Schlüssel, Sie können die Polizei von da aus anrufen.« Sie drehte einen langen Streifen Nylon aus ihrer Strumpfhose zu einem Strick zusammen. »Ich werde inzwischen den Toxophilen an den Daumen fesseln.«
Tarrant nahm die Schlüssel und ging die Reihe der geparkten Autos entlang. Jetzt erinnerte er sich wieder an das Telefon im Rolls. So wie es Modesty erzählt hatte, war es Weng gewesen, ihr Hausdiener und Chauffeur und nach eigenem Bekunden ein Träger des schwarzen Gürtels im Snobismus, der auf dem Autotelefon bestanden hatte und praktisch der einzige war, der es jemals benutzte. Weng hatte die Gesellschaft heute nur deswegen nicht ins Konzert chauffiert, weil er inzwischen mit der Zubereitung des chinesischen Essens beschäftigt war, zu dem sie aufbrechen wollten. Willie Garvin und seine Freundin würden auch bald aus
The Treadmill
bei Maidenhead in Modestys Penthouse eintreffen, um mit den anderen zu Abend zu essen. Tarrant war klar, daß er wohl mehrere Gespräche führen mußte. Das Abendessen würde heute ein bißchen später anfangen müssen.
Neben dem Volvo hielt inzwischen Dinah ihren Mann am Arm und sagte: »Du mußt schon entschuldigen, daß Steve wieder seine blöden Bemerkungen vom Stapel gelassen hat, liebe Modesty.«
Collier verteidigte sich: »Mein Herzblatt, niemand weiß besser als dieser weibliche Eierkicker hier, daß das Abgeben von blöden Bemerkungen meine ganz persönliche Alternative dazu ist, mir die Daumen in die Ohren zu stecken, mit den Fingern zu wackeln, die Augen zu rollen und vor lauter Panik schreiend im Kreis herumzurennen.«
»Sag nicht so etwas Garstiges über sie«, meinte Dinah. »Und dabei fällt mir ein, was ist ein Toxophiler?«
»
Dabei?
Wobei fällt dir das ein? Nein, sag’ es mir nicht, deine Logik schlägt mich sicherlich zu Boden. Das ist ein eifriger Bogenschütze, ein Mann mit Pfeil und Bogen. Mein Gott, jetzt hast du mich ganz unsicher gemacht. Vielleicht ist es auch die Bezeichnung für einen Gärtner, der Ziersträucher in die Form von Pfauenaugen schneidet.«
Dinah schüttelte den Kopf. »Ich weiß wirklich nicht, wie ein so verrückter Kerl wie du jemals Professor werden konnte, noch dazu in Mathematik. Es ist schon ein Wunder, daß ich dich liebe, du alter Wirrkopf.«
Modesty hatte inzwischen die Daumen des bewußtlosen Mannes mit einer Nylonschlinge hinter seinem Rücken zusammengebunden. Sie kam auf die beiden zu, die Hände in den Jackentaschen. »Vielen Dank, Dinah. Unser Freund mit der Armbrust war schon drauf und dran, einen zweiten Bolzen abzuschießen, und ich mußte ihn ausschalten, ohne daß er mich vorher sah.«
»Ja, ich frage mich wirklich, was sie ohne uns Frauen eigentlich machen würden.«
Collier lehnte sich gegen den Wagen. Er bemühte sich, die reglose schwarze Gestalt auf dem Boden vor ihm nicht anzusehen, und zwang sich, den wütenden Haß niederzukämpfen, der in ihm loderte, versuchte zu vergessen, daß dieses Schwein, dieses bösartige, ekelhafte, kaltblütige Schwein einen Bolzen aus Stahl ins Herz der Frau schießen wollte, deren Freundschaft ihm und Dinah am meisten auf der ganzen Welt bedeutete. Es war sonderbar, daß die frühere Beziehung zwischen Dinah und Willie und auch die zwischen Collier selbst und Modesty keinen von den vieren im geringsten störte. Er war sich bewußt, daß es nur wenige Frauen gab, die Modesty zu ihren Freundinnen zählen konnte, aber er spürte sehr wohl die tiefe Gefühlsbindung, die zwischen ihr und seiner angebeteten Dinah
Weitere Kostenlose Bücher