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Modesty Blaise 11: Die Lady spannt den Bogen

Modesty Blaise 11: Die Lady spannt den Bogen

Titel: Modesty Blaise 11: Die Lady spannt den Bogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter O'Donnell
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Mal gar nichts mehr gemerkt. Sobald sie gespürt hatte, daß die Gefahr einer Entdeckung vorüber war, hatte sie ihre Lungen mit Luft gefüllt, um mehr Auftrieb zu bekommen. Sein Körper trieb im rechten Winkel zu ihrem, und sein Kopf lag auf ihrer Brust aufgestützt, während sie vorsichtig die Rasierklinge mit dem Ledergriff aus einem Versteck an der Innenseite ihrer Gürtelschnalle hervorzog und damit die Stricke um ihre Handgelenke und Fußknöchel durchtrennte.
    Die wiedergewonnene Bewegungsfreiheit war eine große Erleichterung, und in der folgenden Viertelstunde konzentrierte sie sich auf die dringlichsten Probleme und schonte ihre Kräfte für die kommenden Stunden, die sicherlich noch zur Zerreißprobe werden würden.
    Sie zog Ben die Schuhe aus, dann auch ihre eigenen, und ließ sie auf den Meeresgrund sinken. Auf der Suche nach nützlichen Gegenständen faßte sie in seine Hosentaschen, fand aber nur eine Brieftasche und einige Münzen. Das Handtuch war immer noch um seine Schulter geknotet. Sie wußte nicht, ob er dort blutete oder nicht oder wie ernst die Verletzung war. Szabos Revolver hatte ihm noch eine zweite Wunde zugefügt, aus nächster Entfernung in den Rücken und wahrscheinlich mit schräg nach oben verlaufender Schußbahn. Sie hatte das Projektil nicht wieder aus seiner Brust austreten sehen, als er auf sie gefallen war, also steckte es mit ziemlicher Sicherheit noch in seiner Lunge. Sie konnte nicht viel für ihn tun, außer vielleicht den Blutverlust möglichst gering halten. Mit der Rasierklinge schnitt sie ein Stück des Handtuches ab und tastete dann mehrere Minuten lang unter Wasser an seinem Rücken herum, um nach dem Einschußloch zu suchen. Als ihre Finger es endlich gefunden hatten, biß sie die Zähne zusammen und rammte den zusammengedrehten Stoffetzen hinein, wobei sie dem Himmel dankte, daß Ben bewußtlos war. Sie fühlte seinen Puls. Er ging sehr schnell, war aber nicht so schwach, wie sie befürchtet hatte. Behutsam schob sie seinen Körper ein Stück höher, so daß der Kopf nun weit aus dem Wasser ragte und auf ihrem Brustansatz, beinahe auf ihrer Schulter, zu liegen kam. Dann begann sie, ihre Situation einzuschätzen.
    Sie befand sich mehr als eine Meile von der Brücke entfernt, aber nicht sehr viel weiter. Die Flut würde sie bald wieder in die Bucht hineintreiben, aber sie wußte nicht, wann sie die Brücke erreichen würde und wohin sie die Strömung dann tragen würde. Es hatte keinen Sinn, Ben Christie jetzt ins Schlepptau zu nehmen und zu versuchen, mit ihm in eine bestimmte Richtung zu schwimmen. Er war eine schwere Last für sie, und auch bei vollkommen ruhiger See würde sie kaum viel mehr als vierhundert Meter in der Stunde schaffen. Sie konnte nicht mehr tun, als ihn über Wasser zu halten und zu hoffen, daß sie irgendwo in der Bucht an Land getrieben wurden oder daß sie von irgendeinem Schiff aus entdeckt würden. Falls das CIA-Hauptquartier in Langley auf Tarrants Warnung reagiert hatte, dann müßten in den nächsten Stunden einige Boote in der Gegend sein, um nach der
Old Hickory
zu suchen.
    Das Wasser war kalt, aber durchaus noch erträglich.
    Vor langer Zeit hatte Modesty einmal ein halbes Jahr in der Wüste Thar im Freien verbracht, unter der Anleitung des Guru Sivaji, der damals schon sechs Generationen erlebt hatte. Ohne dabei zu sprechen, hatte er ihr das Wissen vermittelt, mit dem man selbst die unbewußten Körpervorgänge dem verstandesmäßigen Willen unterwerfen konnte. Sie wußte, daß sie sich heute nacht aus ihrem Körper entfernen und ihm trotzdem eine beträchtliche Widerstandskraft gegen das eiskalte Wasser erhalten konnte. Sie würde diese Nacht ohne Zweifel überleben, dem Mann in ihren Armen jedoch konnte sie diesen Schutz nicht bieten.
    Sie trieb auf dem Rücken und hielt ihn nicht besonders fest. Ihre beiden Körper hoben und senkten sich mit den Wellenbewegungen, und in diesem Auf und Ab machte sie sich von jedem Bedauern, von allen Sorgen und Befürchtungen frei. Als sie ihre gegenwärtige Lage völlig angenommen hatte, begann sie mit dem
Mantra
, das ihre geistige Distanzierung einleiten würde.
    Aus diesem Trancezustand holte sie sich stündlich genügend weit heraus, um die Situation kurz neu zu beurteilen, bis sie irgendwann kurz nach ein Uhr morgens plötzlich hellwach wurde, als sie Ben reden hörte.
    Sein Kopf lag dicht vor ihrem Kinn, und seine Stimme war zwar schwach, aber deutlich zu vernehmen, weil der Wind inzwischen

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