Mönchsgesang
Merode, Beamter des Markgrafen von Jülich und beider Herren von Merode. Er hat in unserem Kloster eine, äh, dienstliche Angelegenheit zu erledigen.« Ein verkrampftes Lächeln formte sich um seine Mundwinkel. »Doch nun lasset uns essen.«
Alle nahmen Platz, bis auf einen jungen Mönch, der an ein Pult trat. Fladenbrote und hölzerne Schüsseln mit dampfendem Gemüse wurden herumgereicht, während der Mönch am Pult ein schweres, in Rindsleder gebundenes Buch aufschlug und daraus zu lesen begann. Obwohl er lateinisch sprach, war der Dorfherr sich sicher, dass es sich um eine Lesung aus der Apokalypse handelte. Er bemerkte auch den unwilligen Blick, den der Prior dem Lektor zuwarf, woraufhin dieser schuldbewusst nickte und hurtig eine andere Stelle aufschlug.
Während er aß, versuchte Mathäus die Mönche unauffällig zu mustern. Es war in der Tat ein noch sehr kleiner Konvent, der dieses vor gut neun Jahren gegründete Kloster bewohnte. Mathäus zählte einschließlich des Priors sechs Mönche, außerdem noch zwei junge Novizen, die ihren Platz etwas abseits von ihren Mitbrüdern hatten. Das Essen war einfach, aber sehr schmackhaft, die Brote noch ofenwarm. Bei ihrem Anblick fiel Mathäus plötzlich ein, dass er immer noch keine endgültigen Bestimmungen für die Benutzung des Backhauses in Merode erlassen hatte. In den vergangenen Tagen war es wiederholt zu Streitigkeiten zwischen Unter- und Oberdörflern gekommen. Die Dorfbewohner waren nun einmal wie kleine Kinder und mussten manchmal auch so behandelt werden. Mathäus beschloss, diese Sache zu regeln, sobald er wieder in Merode war. Aber zuerst galt es einen Mord aufzuklären. Und Mathäus war sich sicher, dass Bruder Adam ermordet worden war.
Als das Mahl beendet war, klappte der Lektor mit einer behutsamen Bewegung die Heilige Schrift zu. Alle erhoben sich, und Anselm sprach erneut ein andächtiges Gebet. Danach räusperte er sich für eine weitere Mitteilung. »Herr Mathäus hat uns ein paar wichtige Fragen zu stellen«, gab er bekannt. »Es geht hierbei um den Tod unseres geliebten Mitbruders Adam.«
Sofort bemerkte Mathäus das Misstrauen, das in den Augen der Brüder aufblitzte.
Der Prior unterdrückte einen Seufzer. »Nun, wie Ihr wisst, gibt es auch für uns Mönche viel Arbeit, Herr Mathäus. Wäre es Euch recht, wenn wir uns alle nach der Vesper treffen würden? Ihr könntet dann in Ruhe Eure Fragen stellen.«
»Sicher, Pater.«
»In der Zwischenzeit könnt Ihr Euch etwas ausruhen.« Er winkte die beiden jungen Novizen zu sich heran. »Bringt unseren Gast einstweilen ins Gästehaus und gebt ihm eine Kammer. Ach«, wandte er sich wieder an den Dorfherrn, »und kümmert Euch nicht um diesen Kerl, Norbert von Kerpen, der ebenfalls im Gästehaus wohnt.« Er machte eine hilflose Geste. »Am besten, Ihr beachtet ihn gar nicht.«
Sie verließen das Refektorium. Die beiden Novizen führten Mathäus nach draußen, wo ein leichter Nieselregen eingesetzt hatte.
»Wie heißt ihr beiden?«, wollte Mathäus wissen, als sie den Hof überquerten.
»Ich bin Karsil.«
»Und ich bin Reiner.«
»Und wie lange habt ihr noch bis zu eurer Profess?«
»Ich bin im übernächsten Jahr dran«, erklärte Karsil, »Reiner schon im nächsten.«
»Ich bewundere junge Menschen wie euch. Ihr seid Lichtblicke in einer dunklen Zeit.«
Die beiden senkten verlegen die Köpfe.
»Wer ist Norbert von Kerpen?« fragte Mathäus nun unvermittelt.
Reiner kicherte leise. »Norbert von Kerpen ist ein Gönner unseres Klosters.«
»Der sechstgeborene Sprössling eines Adeligen«, ergänzte Karsil schmunzelnd. »Für ihn gibt es natürlich nichts mehr zu erben, deshalb lebt er hier, zu gegenseitigem Nutzen, versteht sich. Bei uns findet er Kost, Unterkunft und ehrenvolle Aufgaben, und der Konvent freut sich über die großzügigen Geldspenden, die er ihm regelmäßig zukommen lässt.«
»Was sind das für ehrenvolle Aufgaben, von denen du sprachst?«
»Norbert ist immerhin ein Ritter. Und unser Kloster liegt mitten im Wald. Er hält uns unliebsame Zeitgenossen vom Hals, wenn es sein muss.«
»Hat er die Gelübde abgelegt?«
Karsil und Reiner begannen lauthals zu lachen.
»Ist der Teufel getauft?«, antwortete Reiner. »Aber wir beten ja für sein Seelenheil.«
»Was auch dringend nötig ist«, fügte Karsil hinzu.
Sie hatten ein zweigeschossiges Haus aus Backsteinen erreicht. Die Novizen ließen Mathäus eintreten und führten ihn in eine kleine Kammer im Untergeschoss, die
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