Moerderische Dividende
ob die Kreppmyrte wohl Schaden genommen hatte. Mitzis herrliche Lilien waren beschädigt, wie ich sofort sah. Sie waren von den Feuerwehrleuten zertrampelt oder von einem schweren Schlauch niedergewalzt worden. Ich richtete einen der langen Stengel auf, der am Tag zuvor noch eine rostfarbene Blüte getragen hatte. Als ich ihn losließ, sank er wieder zu Boden.
Der Kreppmyrtenstrauch sah besser aus. Ich untersuchte einen der unteren Zweige, und am Horizont brachen die ersten Sonnenstrahlen durch. Es war der perfekte Beginn eines Septembertages.
Und dann wandte ich mich um und sah mir das Haus an.
Halb hatte ich erwartet, daß die Hinterwand nicht mehr stehen würde, aber sie war noch da. Die Küchenfenster wie auch die hinteren Schlafzimmerfenster waren herausgeborsten, und die Küchentür hing schief. Aber es sah nicht so schlimm aus, wie ich vermutet hatte.
Mitzi besaß einen fünfbeinigen Tisch, der ihrer Großmutter gehört hatte, ein kurioses Stück, das immer wieder Gesprächsstoff bot. War es möglich, daß der Tisch überlebt hatte? Ich ging langsam auf das Haus zu.
»Guten Morgen, Patricia Anne.«
Ich fuhr herum. Ich war so sehr auf den Schaden am Haus konzentriert gewesen, daß ich Officer Bo Mitchell vom Birmingham Police Department nicht hatte um die Ecke kommen sehen.
»Guten Morgen, Bo. Sie sind aber mächtig früh unterwegs.«
»Nein, eigentlich bin ich spät unterwegs. Meine Schicht endet um sieben.«
Mary Alice und ich hatten Bo Peep Mitchell kurz vor Weihnachten kennengelernt, als eine frühere Schülerin von mir uns in einen Mordfall in einer Kunstgalerie verwickelt hatte. Bo war stets lustig und freundlich und darüber hinaus eine sehr hübsche Frau mit einer Haut wie Milchkaffee. Als ich sie zum erstenmal gesehen hatte, waren ihre Augen grün wie die meiner Schülerin Shatawna gewesen, das Erbe eines weißen Vorfahren, wie ich vermutete. Später fand ich heraus, daß sie farbige Kontaktlinsen trug, die sie je nach Laune wechselte. Heute waren ihre Augen dunkelbraun, und ihr Haar trug sie in kleine Zöpfchen geflochten.
»Was machen Sie hier?« fragte ich, nachdem wir uns umarmt hatten.
»Na, was wohl? Ich will Sie verhaften. Sie haben das Recht zu schweigen, wissen Sie.«
»Weshalb?«
»Weil Sie in alles Ihre Nase hineinstecken.« Sie hielt ein gelbes Absperrband hoch. »Man schickt mich los, um das hier anzubringen, und wer schleicht neugierig hier herum? Sie.«
Ich blickte das Band an. »Warum bringen Sie das an?«
»Damit Leute wie Sie hier nicht herumschnüffeln, bevor wir uns ordentlich umsehen konnten.«
»Sie meinen, es ist Brandstiftung?«
»Die Jungs in der Zentrale werden sich schon was gedacht haben.«
Eine kleine blonde Frau in Polizeiuniform kam um das Haus herum. Sie war wahrscheinlich nicht älter als Anfang Zwanzig und wirkte mehr wie eine Collegestudentin als wie eine Polizistin.
Bo stellte uns einander vor. »Patricia Anne Hollowell, Joanie Salk.« Sie drückte Joanie das Ende des Absperrbands in die Hand. »Mach das an der Regenrinne dahinten fest.«
»Sie hatten drei Rauchmelder, und keiner sprang an«, sagte ich.
»Ach.« Das war keine Frage. Sie wußte es bereits.
Joanie war an der Regenrinne angelangt. »Gibt es eine spezielle Art und Weise, wie ich das hier festmachen soll?«
»So, daß es nicht runterfällt.« Bo war bereits dabei, das Band an dem Rohr an der anderen Ecke des Hauses zu befestigen.
»Machen Sie so was vorne auch hin?« fragte ich.
Bo schüttelte den Kopf. »Die Vorderseite ist ja ganz in Ordnung. Es würde nur die Aufmerksamkeit der Passanten auf der Straße erregen.«
»Soll ich ein wenig Spielraum lassen?« rief Joanie.
Bo verdrehte leicht die Augen, bevor sie antwortete. »Nicht viel.« Dann fragte sie mich: »Wo sind die Phizers?«
»Drüben bei mir. Ich hoffe, sie schlafen. Die letzten beiden Tage waren schlimm für sie.«
Bo nickte. »Ist Mr. Phizer der, den ich seinen Rasen in Shorts, Oxfordschuhen und schwarzen Socken habe mähen sehen? Mit nicht mehr viel Haaren auf dem Kopf?«
Ich grinste. »Kein schöner Anblick. Aber er ist so einnetter Mann, Bo. Und man hat ihn wegen Mordes an seiner ersten Frau verhaftet.«
»Aber Sie glauben, er hat es nicht getan.«
»Natürlich nicht. Arthur würde keiner Fliege was zuleide tun.« Ich warf einen Blick auf Bos Uhr. »Wie spät ist es?«
»Kurz nach sechs. Warum?«
»Möchten Sie beide gern einen Kaffee? Kommen Sie, ich mach uns welchen.«
»Haben Sie ein paar
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