Moerderische Dividende
grüßten. Auf dem Balkon standen eine Liege und ein kleiner Tisch mit Eisdielenstühlen. Hier hatte Sophie bestimmt ihre meiste Zeit verbracht. Wahrscheinlich hatte sie hier sogar ihre Mahlzeiten eingenommen.
»Ich wette, Bill Bodiford hat das hier eingerichtet«, sagte Schwesterherz. »Er wollte ein paar von diesen Drahtstühlen auf meine Terrasse stellen. Ich sagte ihm, er würde wohl scherzen. Aber die Farben gefallen mir.«
Die Wohnung war auf ein Maximum an Privatsphäre angelegt mit je einem Schlaf- und Badezimmer auf den gegenüberliegenden Seiten des großen Raumes. In Sophies Zimmer gingen wir als erstes; dort herrschte heilloses Durcheinander. Schubladen waren aufgezogen. In dem hübschen weißen Badezimmer schwammen mehrere Zigarettenstummel in der türkisfarbenen Toilette.
»Herrgott«, sagte Mitzi. »Man sollte meinen, daß die Polizei es in einem besseren Zustand hinterließe.«
An der vorderen Wand des Schlafzimmers war ein Fenster mit Jalousien. Sophie konnte im Bett liegen, stellte ichfest, und die untergehende Sonne betrachten. Deren Strahlen zeichneten schon Streifen auf den weißen Teppich. Außerdem gab es eine Schiebetür, die zum Balkon führte.
Mitzi öffnete die Kleiderschranktür, und die automatische Innenbeleuchtung ging an.
»Sie hatte nicht viele Sachen«, bemerkte Schwesterherz. »Ich dachte, sie hatte Geld.«
»Sie kam hierher, weil sie krank war«, erinnerte ich sie. »Sie brauchte nicht viele Kleider, nur um zur Behandlung ins Krankenhaus zu gehen.«
»Sie war mit Arthur im Hunan Hut.«
Ich warf ihr einen bösen Blick zu, den sie ignorierte.
Aber Mitzi war nicht aufgebracht. »Du hast recht. Es gibt hier keine große Auswahl.« Sie fing an, die Kleider durchzusehen. »Sagt mir, was ihr denkt.«
Ich wollte nicht sagen, was ich dachte, daß nämlich, egal, was wir auswählten, es sich in Rauch auflösen würde. »Wie wäre es mit diesem grauen Hosenanzug?«
Mitzi nahm den hellgrauen Anzug von der Stange und sah ihn sich an. »Der ist wirklich teuer, wißt ihr. Schaut mal.« Sie zeigte uns Sophies unter dem Jackenaufschlag eingestickten Namen. »Er wurde für sie maßgeschneidert.«
Plötzlich fing Mitzi an zu weinen. Ich nahm ihr den Anzug ab und sagte: »Der tut’s wunderbar, Mitzi.« Verdammt, Arabella hätte Mitzi nicht um so etwas bitten dürfen.
»Er ist sowieso schon älter«, fügte Mary Alice hinzu. »Schaut euch die breiten Aufschläge an.«
»Es ist einfach so traurig, daß ihr Leben auf diese Weise zu Ende gehen mußte.« Mitzi ging ins Badezimmer, riß ein wenig Toilettenpapier ab und wischte sich die Augen, während ich den grauen Anzug hielt.
»Schaut euch die Aufschläge an«, wiederholte Schwesterherz. »Der muß raus.«
»Nun«, sagte Mitzi, während sie ihre Nase schnaubte. »Weinen hilft auch nichts.«
»Ich denke nicht«, pflichtete ich ihr bei.
Mitzi trat wieder ins Schlafzimmer und holte tief Luft. »Du hast recht, der graue Anzug ist gut. Wie sieht es mit Schuhen und Unterwäsche aus?«
»Warum?« fragte Schwesterherz.
»Du kannst doch nicht ohne Unterwäsche in den Himmel.« Ich wollte ihr einen Tritt versetzen, traf aber daneben.
Ich legte den Anzug über einen Sessel, während Mitzi eine der Schubladen öffnete.
»Meine Güte«, sagte sie.
»Was?« Ich ging hinüber und blickte auf die Schublade, die vor Seide überquoll: seidene Mieder, seidene Höschen, seidene Büstenhalter.
»Ist das nicht wunderhübsch?« Mitzi zog ein pfirsichfarbenes Hemd mit einer vorn aufgestickten einzelnen Rose heraus.
Ich befühlte das Material. »Aber man kann es nicht in die Waschmaschine tun, Mitzi.«
Mitzi blickte hoch und lächelte tatsächlich. »Du hast recht: Baumwoll-Feinripp ist schwer zu schlagen.«
Schwesterherz schlenderte hinüber zum Nachttisch und zog die Schublade auf.
»Weg da mit dir«, sagte ich, als mir klar wurde, was sie da tat.
»Ich schaue doch bloß.«
»Wonach?«
»Sieh dir das an.« Sie kam mit einem in Silber gerahmtenFoto wieder, das eine junge Sophie, einen Mann und drei Kinder im Teenageralter zeigte. Es war auf dem Deck eines Schiffes aufgenommen worden. Die Familie, mit Shorts und Badeanzügen bekleidet, lächelte in die Kamera. Der Junge, der David sein mußte, war bereits größer als sein Vater. Braungebrannt und gutaussehend, hatte er einen Arm um jede seiner Schwestern gelegt, während die Eltern Arm in Arm ein wenig entfernt von der Dreiergruppe standen.
»Sie waren eine hübsche Familie, nicht?« Mitzi war
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