Moerderische Fracht
verdammt gefährlich?«
»Ihr kennt Ole Petersen?«, staunte Vohrmann.
»Den und noch ein paar andere«, entgegnete Anna schnippisch, »doch das spielt keine Rolle. Was ist mit meiner Frage?«
Vohrmann zuckte zusammen, und der Beach-Volleyball-Charme schien von ihm abzufallen. Aus den Augenwinkeln sah ich Meiners grinsen.
»Die Kadetrinne«, erklärte Vohrmann, »ist ein Seegebiet in der Mecklenburger Bucht zwischen der deutschen Halbinsel Fischland-Darß und der Insel Falster auf dänischer Seite. Sie ist eines der für die Schifffahrt schwierigsten und gefährlichsten Gewässer der gesamten Ostsee, und zwar gleich aus mehreren Gründen: Der schiffbare Bereich verringert sich an der schmalsten Stelle, je nach Tiefgang des Schiffes, auf 500 bis 1000 Meter und erfordert gleichzeitig einen Kurswechsel von etwa 90 Grad. Man muss schon ein bisschen navigieren können, wenn man da durchfährt. Hauptproblem ist jedoch das wahnwitzige Verkehrsaufkommen. Die Kadetrinne ist einer der am stärksten befahrenen Seewege Europas. Geschätzte 64000 Durchfahrten pro Jahr. Im Jahr 2006 waren etwa 9000 davon Tankerpassagen, und die werden jährlich mehr durch die vergrößerten Ölhäfen am Finnischen Meerbusen und die rasch zunehmende Anzahl russischer Öltanker.«
»Genau«, sagte Wenger, »die haben sich bereits zwischen 1996 und 2006 mal eben vervierfacht.«
»So ganz verstehe ich das Problem noch nicht«, sagte Anna, »wenn es so schwierig ist, diese Rinne zu durchfahren, kann man sich doch einfach einen Lotsen nehmen.«
»Lotsen muss man bezahlen, und das geht vom Profit ab. Manche nehmen sich einen Lotsen, die meisten tun es nicht, und die Russen sind ganz und gar dagegen.«
»Und kann man das nicht erzwingen?«
Wenger schüttelte den Kopf.
»Die Kadetrinne liegt nach dem Seerechtsübereinkommen in internationalen Gewässern. Nur die International Maritime Organization kann hier eine Lotsenpflicht verordnen. Die wird wiederum nur tätig, wenn alle Meeresanrainer dem zustimmen. Bei der konsequent ablehnenden Haltung der Russen kannst du das vergessen.«
»Passieren denn viele Unfälle in dieser Rinne?«, fragte Elena.
»Klar, dauernd passiert etwas, eigentlich jedes Jahr. Meistens sind es Grundberührungen, die einigermaßen glimpflich verlaufen. Einen kleinen Vorgeschmack auf das, was bei einem richtigen Unfall passiert, gab es 2001. Da ist der Öltanker Baltic Carrier mit dem kubanischen Zuckerfrachter Tern kollidiert. Nach einem Ruderschaden trieb die Baltic Carrier mit 30000 Tonnen Schweröl an Bord manövrierunfähig in der Fahrrinne. Die Tern konnte nicht mehr ausweichen, traf den Tanker mittschiffs und riss ein riesiges Loch in die Bordwand. Der doppelte Rumpf der Carrier verhinderte Schlimmeres, trotzdem flossen 2700 Tonnen hochgiftiges Schweröl in die See.«
»Gut«, sagte Meiners, »wir müssen zu einer Entscheidung kommen. Ich wollte eure Meinung hören, bevor ich mich aus dem Fenster lehne. Was haltet ihr von der Sache?«
»Ich glaube, sie ist ernst«, meinte Vohrmann. Jette Paulsen nickte.
»Das glaube ich auch«, sagte Wenger, »ich weiß nur nicht, ob das, was wir haben, ausreicht, um die Kavallerie in Bewegung zu setzen. Okay, wir vermuten, dass der Anschlag am 11. 9. in der Kadetrinne stattfindet, doch wir haben nicht den Hauch eines Beweises! Was haben diese Typen vor? Also, mal angenommen, wir haben recht, und sie wollen tatsächlich einen russischen Öltanker angreifen. Wie soll das gehen?«
»Ach komm«, knurrte Meiners, »jetzt stell dich nicht dumm. Da hätte ja sogar ich ein paar brauchbare Ideen.«
Elf
D
enkst du, wir haben deine Freunde wirklich überzeugen können?«, fragte Anna, als wir wenig später in Meiners’ Auto einstiegen.
Meiners nickte.
»Ich bringe euch jetzt noch ins Hotel zurück und fahre anschließend mit ihnen nach Cuxhaven.«
»Wieso Cuxhaven?«
»Dort ist das neu geschaffene Maritime Sicherheitszentrum. Eine Art Netzwerkbehörde, die erstmalig Zoll, Wasserschutzpolizei, Havariekommando, Fischereischutz, Wasser- und Schifffahrtsverwaltung sowie Bundespolizei unter einem Dach vereint. Zwischen diesen Behörden gab es früher viel Kompetenzgerangel, und ich glaube, es läuft immer noch ziemlich zäh, aber im MSZ arbeiten gute Leute, und ein paar davon kennen wir persönlich.«
»Ich will mit!«, sagte Anna.
»Nein, wir wollen zunächst allein mit denen sprechen, doch ich möchte euch bitten, noch zwei Tage in Hamburg zu bleiben. Die wollen garantiert mit euch
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