Mörderische Tage
mit der ich darüber rede. Ich weiß auch nicht, warum ich es Ihnen überhaupt erzählt habe, ist mir mehr so rausgerutscht. Na ja, sollte wohl so sein. Und Sie meinen wirklich, ich sollte zu einem Arzt gehen?«
»Wenn die Symptome sich nicht bessern, auf jeden Fall. Es gibt heutzutage hervorragende Antidepressiva, die nicht abhängig machen und praktisch nebenwirkungsfrei sind. Sie haben doch sicher einen Hausarzt?«
»Ja. Ich werde morgen hingehen. Ich will doch nur, dass es mir endlich wieder bessergeht und ich mich wieder richtig um die Kinder kümmern kann. Mehr will ich doch gar nicht.«
Alina Cornelius stellte noch ein paar weitere Fragen und sah dann auf die Uhr: »Tja, wir sind fast am Ende angelangt. Nächsten Montag um dieselbe Zeit?«
Jung räusperte sich: »Frau Cornelius, ich habe nur einen Wunsch, ich möchte so schnell wie möglich wieder ein normales Leben führen, auch wenn der Weg dorthin wahrscheinlich sehr hart wird. Ich mache mir da nichts vor. Ich kann aber den Schalter nicht von jetzt auf gleich umlegen. Meine Frau fehlt mir, doch ich muss wohl oder übel akzeptieren, dass sie mich nicht mehr will. Und ich habe keine Erklärung, warum. Ich schwöre, ich habe ihr nie etwas getan, ich hätte auch nie die Hand gegen sie erheben können. Und die Vorwürfe, von wegen, mein Beruf wäre mir wichtiger als sie und ich würde mich nicht genug um sie kümmern … Na ja, vielleicht hat sie ja sogar recht, ich habe sie in letzter Zeit wahrscheinlich doch etwas vernachlässigt, aber, und das müssen Sie mir glauben, sie hat sich nie ernsthaft beschwert. Wir hätten über alles reden können, ich bin doch kein Monster. Aber nein, statt zu reden, packt sie ihre Koffer und haut ab. Dabei sind es doch die Männer, denen nachgesagt wird, sie würden nicht den Mund aufkriegen. Aber bei mir ist sowieso immer alles anders. Fragen Sie mich nicht, warum.«
Ohne darauf einzugehen, sagte Alma Cornelius: »Herr Jung, ich habe Sie das zwar schon vergangenen Montag gefragt, möchte die Frage aber noch einmal stellen: Haben oder hatten Sie jemals eine Affäre, von der Ihre Frau etwas erfahren haben könnte?«
Jung schüttelte den Kopf, fuhr sich nervös mit der Hand über den Bart und wich dem Blick von Alina Cornelius aus. »Nein, das schwöre ich bei allem, was mir heilig ist.«
Sie wurde das Gefühl nicht los, dass er log, ließ sich das aber nicht anmerken. »Herr Jung, ich möchte Sie bitten, alles aufzuschreiben, was Ihnen zu Ihrer Person, zu Ihrer Frau und Ihrer Ehe einfällt. Sie brauchen mir diese Aufzeichnungen nicht vorzulegen, nur wenn Sie es wünschen. Aber wenn Sie alles aufschreiben, werden Ihnen mit Sicherheit einige Dinge klarer und verständlicher. Sie werden Ihre Frau dadurch vermutlich nicht zurückbekommen, aber Sie werden möglicherweise den Grund für ihren Entschluss finden.«
»InOrdnung. Soll ich mit meiner Kindheit beginnen?«
»Noch weiß ich nichts über Ihr Elternhaus und Ihre Kindheit und Jugend. Sie sollten bei Ihrer Kindheit beginnen, denn dort liegen häufig die Ursachen für Ängste und Depressionen verborgen. Sie können auch Ihre Lebensgeschichte aufschreiben, falls Sie die Zeit dafür haben.«
»Das ist eine gute Idee. Ich fange noch heute damit an.«
Er machte eine kurze Pause und fuhr mit leiser Stimme fort: »Es tut mir leid, wenn ich Sie damit belästige, aber ginge es auch, dass ich zwei- oder dreimal in der Woche komme? Ich habe das Gefühl, ich brauche das. Es wäre nur so lange, bis ich wieder einigermaßen auf den Beinen bin.«
»Tut mir leid, aber mein Terminkalender quillt über. Wie Sie wissen, habe ich Sie angenommen, obwohl die Warteliste sehr lang ist.«
»Und wenn ich Ihnen das Doppelte oder Dreifache zahle? Ich könnte auch später am Abend, sagen wir um neunzehn Uhr. Bitte.«
Alina Cornelius ging um ihren Schreibtisch herum, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und sagte nach einigem Zögern: »Also gut, ich mache eine Ausnahme. Mittwoch und Freitag jeweils um neunzehn Uhr. Aber nur unter der Bedingung, dass Sie sich voll und ganz auf die Therapie einlassen.«
»Danke, vielen, vielen Dank.« Johann Jung zog ein Bündel Geldscheine aus der Hosentasche und legte tausendfünfhundert Euro auf den Tisch. »Das ist für diese Woche, ich hoffe, es reicht. Und nächste Woche noch mal dasselbe oder auch mehr. Eine Quittung brauche ich nicht, ich kann das sowieso nicht von der Steuer absetzen. Was soll's, ich bin in der glücklichen Lage, mir das leisten zu
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