Mörderische Verstrickungen

durchwühlen. Und zwischen uns und seiner Halbautomatik war nichts als Glas. Das war’s. Das war der Tod. Ich wartete.
    Der Tod setzte sich und blätterte ein Magazin für ländliches Wohnen durch.
    »Kommt jeden Nachmittag hierher, um seine Frau abzuholen«, schnaubte Irene. »Sie ist so nett wie nur irgendwas. Eine unserer besten Krankenschwestern. Hat nur leider keinen Verstand.«
    Mein Herz begann wieder zu schlagen. Ich konnte es gegen meine Rippen trommeln spüren.
    »Nun, es geht mich ja nichts an, dass sie unbedingt eine Idiotin sein will«, sagte Irene. Sie nahm die Karte in die Hand. »Okay, sehen wir mal, was wir hier haben.«
    Die Außentür öffnete sich erneut, und zwei junge Frauen kamen herein und klopften sich die Mäntel ab.
    »Es schneit, Irene«, rief eine, während sie den Gang hinunterliefen.
    Irene winkte in ihre Richtung. »Schnee. Genau das, was wir brauchen.«
    Ich dachte an die Haarnadelkurven am Chandler Mountain. Sicher würden die Polizisten Schwesterherz ziehen lassen, bevor die Straßen zu eisig würden.
    |68| »Hier vereist alles in Windeseile«, sagte Irene, so als könne sie Gedanken lesen, »was alle möglichen Probleme verursacht.«
    Schuldgefühle machten sich bemerkbar. Ich hatte meine Schwester oben auf einem von einem Ungeheuer bewohnten Berg in einer Schlangensektenkirche mit einer Leiche zurückgelassen.
    »Was ist mit Ihrem Cousin passiert?«, fragte Irene.
    »Ich weiß nicht genau. Wir waren in dieser Kirche oben am Chandler Mountain, und er ging hinein, um nach seiner Frau zu suchen, und als er nicht zurückkam, gingen wir hinein, um nach ihm zu schauen, und er war ohnmächtig und blutete, und schräg gegenüber von ihm lag eine tote Frau auf der Bank. Eine tote Frau mit einer Unmenge roter Haare und einem gebrochenen Hals.« Ich machte eine kurze Pause zum Atmen.
    »Ist das richtig?« Irene schob ein paar Papiere zu mir herüber. »Hier, unterschreiben Sie das.«
    »Ihr Kopf war ganz nach hinten verdreht.«
    »Haben Sie Erbarmen.« Irene reichte mir einen Kugelschreiber. »Unterschreiben Sie hier und«, sie hob das oberste Blatt hoch, »hier.«
    Ich unterschrieb.
    »Okay«, sie warf einen Blick auf meine Unterschrift, »Mrs Hollowell. Es wird gleich jemand kommen, sobald sie wissen, was mit Ihrem Cousin los ist.«
    Nach hinten verdrehte Köpfe schienen auf Irene keinen großen Eindruck zu machen. Auf mich hingegen schon, zum Teufel. Ich saß mit klappernden Zähnen im Wartezimmer. Zum Glück war der Tod mit seiner hübschen jungen Frau bereits gegangen, die sich darüber aufgeregt hatte, dass er keine Jacke trug.
    |69| Wie es Luke wohl ging? Was ihm wohl zugestoßen war? Das vernünftigste Szenario war, dass er das tote Mädchen gesehen hatte, ohnmächtig geworden war und sich den Kopf an der Bankkante angeschlagen hatte. Das ergab Sinn. Und er hatte im Delirium dahergeredet, als er gesagt hatte, er habe Virginia gesehen. Wir hatten vorne in seinem Auto gesessen und niemanden aus der Kirche gehen sehen.
    Aber da war eine Hintertür gewesen. Ich schloss die Augen und versuchte, mich an die Details zu erinnern. Auf der rechten Seite war eine Tür, und falls jemand auf diesem Weg die Kirche verlassen hatte, hätten wir ihn nicht sehen können. Ich erinnerte mich, dass ich gedacht hatte, die Tür müsse eigentlich auf der anderen Seite sein, auf der Seite, an der das Haus stand, sodass der Pfarrer nicht hinten um das Gebäude herumlaufen müsste.
    Holden Crawford. Monk Crawford. Mein Gott, wie hatte sich Virginia Nelson, die im Country-Club von Columbus Golf spielte und deren Sohn im Repräsentantenhaus saß, nur mit einem Schlangensektenprediger einlassen können?
    Ich dachte an den Behälter vorne. Sicher waren da jetzt keine Schlangen drin. Es war kalt in der Kirche. Schlangen halten Winterschlaf. Aber würde dies von Bedeutung sein? Mit schläfrigen Schlangen konnte man wahrscheinlich besser hantieren. Außer natürlich sie hassten es, aufgeweckt zu werden. Eine verärgerte Klapperschlange wäre eine Herausforderung.
    Und es ergab keinen Sinn, dass jemand das Mädchen so brutal ermordet und sie dann so ordentlich auf einer Kirchenbank drapiert hatte. Sie hätten sie fast überall am Chandler Mountain loswerden können, und man hätte sie |70| nie gefunden. Sie hätten auf einen der zahlreichen Felsvorsprünge hinaustreten und die Leiche in ein Kletterpflanzen-Meer werfen können, das sie für immer verdeckt hätte. Stattdessen lag sie hier auf einer Kirchenbank in der