Mörderischer Auftritt
besten Freundes‹.« Ich hätte mir auf die Zunge beißen mögen, als ich es ausgesprochen hatte. Aber Marilyn nahm es mir nicht übel.
»Ja, nicht wahr? Aber deren Stichtag war der Dreißigste. Wir hatten es nicht so eilig.« Marilyn fummelte an dem Fingernagel herum, der absprang und auf den Resten ihres Kartoffelsalates landete. »Verdammt«, sagte sie, klaubte ihn auf und wischte ihn an ihrer Papierserviette ab. Der richtige Nagel, stellte ich fest, sah rosafarben und normal aus. »Das Ding hat sich schon den ganzen Tag komisch angefühlt«, sagte sie. »Ich muss ihn wieder ankleben, bevor ich in die Klinik gehe.«
»Du gehst in die Klinik? Was fehlt dir denn?«
»Nichts. Ich gehe in eine Kinderwunschklinik, Tante Pat. Ich lasse mich künstlich befruchten, so wie Debbie damals.«
»Morgen?« Ich gab das Käsesandwich auf, das ich ohnehin nicht nötig gehabt hatte.
»Für Tests. Sie müssen sicherstellen, dass mein Eisprung und auch sonst alles in Ordnung ist. Dann setzen sie das Datum fest.«
»Aber Schätzchen …« Ich fühlte mich ein wenig benommen.
»Ma’am?«
»Was ist mit Charles?«
»Ich habe ihn letzte Woche angerufen und ihm gesagt: ›Charlie, wir werden nächsten Monat vierzig. Ich will dich nicht heiraten, aber ich möchte ein Baby, und du hast es versprochen.‹«
»Und?«
»Er sagte, er habe unsere Abmachung immer für einen Witz gehalten. Daraufhin sagte ich ihm, dass es okay sei, dass meine Schwester ihre Zwillinge über die Samenbank von Alabama bekommen habe und dass ich diesen Weg verdammtnoch mal auch gehen könne. Und dass du das verstehen würdest.«
»Offensichtlich hat er seine Entscheidung bedauert.«
»Ist mir egal.« Tränen traten in Marilyns Augen. Sie griff nach ihrer Papierserviette und platzierte den Fingernagel auf dem Tisch.
Heftiger Regen schlug gegen das Erkerfenster. Muffin kam herein und sprang auf meinen Schoß.
»Vielleicht solltest du ihn trotzdem anrufen«, sagte ich. »Er wirkte völlig mitgenommen.«
»Ich glaube nicht. Und, Tante Pat, bitte sag Mama nicht, dass ich hier bin.«
»Aber warum nicht? Sie würde es verstehen.«
»Zum Teufel, nein, würde sie nicht. Ich habe mal die Möglichkeit erwähnt, eines Tages die Klinik aufzusuchen, woraufhin sie sagte, dass sie nicht verstehen könne, warum ihre Töchter nicht über die üblichen Rohre schwanger werden konnten.«
»Rohre?« Ich grinste. »Ich glaube, so habe ich sie das noch nie sagen hören.«
Marilyn schnaubte halb lachend, halb schluchzend, in das Taschentuch. »Verdammt.«
»Ich werde es ihr nicht erzählen, aber ich wünschte, du würdest es tun.«
Marilyn schüttelte den Kopf.
»Weiß es Debbie?«
»Noch nicht. Aber ich werde es ihr erzählen.« Sie stand auf, spritzte sich aus dem Hahn an der Spüle Wasser ins Gesicht und trocknete es mit einem Papierhandtuch ab. »Sie kennt aber die Geschichte mit den Rohren und fand sie lustig.«
Ich unterdrückte ein Kichern, was in einem Schluckauf endete.
Marilyn setzte sich wieder. »Okay, so viel zu dem Thema. Erzähl mir, was hier los ist, Tante Pat.«
»Du besuchst aber schon deine Mutter, während du hier bist, oder?«
»Oh, natürlich. Ich gehe zu ihr, wenn ich aus der Klinik raus bin. Ich erzähle ihr einfach, ich sei geschäftlich hier. Was der Wahrheit entspricht.«
»Dann kann sie dich auf den neuesten Stand hinsichtlich ihrer Hochzeitspläne bringen.«
»Sind sie so schlimm, dass du sie mir nicht erzählen kannst?«
»Welche Wirkung haben Violett und Sonnenblumengelb auf dich?«
»O Gott. Bist du das Violett?«
Ich nickte. »Sie wird dir alles darüber erzählen.«
»Du magst Virgil, stimmt’s?«
Ich nickte. »Sehr. Fred und ich haben seine Kinder gestern Abend kennengelernt. Sie scheinen auch sehr nett zu sein. Sein Sohn ist ein Elvis-Imitator.«
»Wirklich?«
Ich erzählte Marilyn von dem Abend im Alabama Theatre, von Griffin Mooncloth, dem Klappmesser, dem Sturz in den Orchestergraben.
»Dusk Armstrong kannte ihn«, fügte ich hinzu.
»Dawns kleine Schwester? Ich bin mit Dawn zur Schule gegangen. Ich denke, Debbie ging zusammen mit Day.« Marilyn schüttelte den Kopf. »Ich kann es nicht glauben, dass sie ihre Jüngste Dusk genannt haben.«
»Nun, sie war Bernice’ letztes Aufbäumen vor der Menopause.«
Erneut traten Tränen in Marilyns Augen. »Oh, Tante Pat, ich hoffe, ich habe nicht zu lange gewartet.«
»Nein, Schätzchen, hast du nicht. Alles wird gut werden.«
Erneut kam ein Schwall Regen
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