Mörderisches Musical
Nacht zusammen.« Sie schloß lächelnd die Tür,
dann überblickte sie das Zimmer. Es sah aus, als hätte ein Wirbelsturm darin
gewütet. »Aber, Zuckerstück«, sagte Wetzon laut, »es gehört ganz dir.«
Sie hängte ihren Mantel auf einen Bügel. Dann
sammelte sie alle Handtücher und stapelte sie auf Smith’ Bett. Den weißen
Frotteemantel legte sie über ihr Bett. Sie verspürte den überwältigenden Drang,
sich dazuzulegen.
»Doch nicht in Versuchung, etwas Törichtes zu
tun?«
Sie hatte den Schlüssel im Schloß nicht gehört,
und als sie sich herumwarf, stand Hartmann an der Tür. Er formte mit Finger und
Daumen eine Pistole und zielte auf sie. Sein wanderndes Auge war beunruhigend.
Sie sah ihn mit ihrem treuherzigsten Blick an.
»Sie haben sicher von Briefen mit der Aufschrift >Im Falle meines Todes zu
öffnen< gehört, Liebling? Wir haben einen.«
Sein hageres Gesicht erstarrte. »Das ist eine
Nummer zu groß für Sie«, sagte er. Die Tür schloß sich hinter ihm.
»Bald«, murmelte sie. »Bald.« Sie wartete, bis
sie sicher war, daß Smith und Hartmann weg waren, dann trat sie auf den Flur
hinaus. Sie überzeugte sich davon, daß die Tür verschlossen war, steckte den
Schlüssel in die Tasche, ging zu Carlos’ Zimmer und klopfte an die Tür.
Carlos ließ sie ein und flüsterte: »Ich habe
Mort dran.« Er schien sich zu freuen, legte aber einen Finger auf den Mund.
Gähnend setzte sich Wetzon auf die Bettkante.
»Sicher, Mort... Nein, du hast recht... Ich
weiß. Mhm. Straffe den zweiten Akt. Ach? Gut. Ja, bis morgen.« Er legte auf und
machte einen Jeté. »Hurra!«
»Was? Was?«
»Mort hat Gideon aus dem Theater hinausgeworfen
und Joel gefeuert. Ich werde Joel selbst kündigen. Dieses eine Mal hat der
Barrakuda hundertprozentig recht.« Er grinste sie an, zog sie hoch und tanzte
Walzer mit ihr durch das Zimmer. »Mein liebes Häschen«, sagte er, als er
innehielt. »Was für eine Freude. Was für ein Kummer. Meinst du nicht, wir
kosten das Leben voll aus?«
»In Technicolor.«
»Hm, ja...« Seine Stimmung bekam einen Dämpfer.
»Smith zieht in Hartmanns Suite im Four
Seasons.«
»Gut für sie, besser für dich.« Mit schrägem
Kopf betrachtete er sie prüfend.
Sie kannte ihn so gut, als wären ihre
Nervenenden verknüpft. Er versuchte, sie seine Gedanken lesen zu lassen, damit
er ihr nicht sagen müßte, was er loswerden wollte. »Mort hat Smitty
weggeschickt. Ich schätze, er hat sein Versprechen an mich eingelöst... Joels
Limousine hat ihn heute nacht zum Flughafen gebracht.«
»Weg von dem Ganzen. Das ist gut.« Er setzte
sich aufs Bett und warf einen Blick auf die Uhr, seufzte, sah Wetzon an.
»Bin schon weg, Lieber.« Wetzon öffnete die Tür.
»Warte, Häschen.« Er stand auf, langte um sie
herum und zog die Tür zu. »Eines habe ich dir noch nicht erzählt.«
»Ach?«
»In der Nacht, in der Dilla starb... Ich habe
dir gesagt, daß Smitty zu mir kam und Hilfe suchte...«
»Ja?«
»Er hat gesagt, er hätte versucht, einen Kampf
zwischen zwei Pennern zu schlichten, und der eine hätte den anderen mit einer
abgebrochenen Flasche geschnitten.«
»Um Gottes willen, Carlos.« Sie lehnte sich
gegen die Tür. »Er sah ziemlich schlimm aus. Seine Kleider waren zerrissen, und
er war voller Blut.«
Als die Explosion kam,
brachte sie nicht den erwarteten, inzwischen vertrauten Geruch nach
Schießpulver mit sich. Aber sie wußte Bescheid. Sie kannte die Tricks.
Sie befand sich außerhalb ihres Körpers, in der
Schwebe. Der Himmel war tintenschwarz. Unter ihr fuhr ein Auto auf der Route 9
auf Claytonia zu, zur Farm, nach Hause.
Nein! Sie versuchte, laut zu schreien, den Traum
zu sprengen. Statt dessen sauste sie dahin. Ein Auto kam in voller Fahrt aus
der entgegengesetzten Richtung. Auf der falschen Spur.
»Papa, paß auf!« Sie weinte.
Auf einem Neun-Sekunden-Standbild sah sie die
entsetzten Gesichter ihrer Eltern durch die Windschutzscheibe.
Die Explosion brachte eine grelle gelbe Flamme
mit sich und dann den erstickenden Geruch nach Benzin.
Nein! Nein! Nein!
Sie wachte unbedeckt auf, in Schweiß gebadet, die
Arme über den Augen, hin und her schaukelnd, zitternd. Die Decken lagen auf dem
Boden. Sie zog sie aufs Bett und versteckte sich fröstelnd unter ihnen. Warum
waren sie auf diese Art gestorben? Sie war damals erst zwanzig gewesen. Wußten
sie nicht, daß sie sie allein ließen, als sie sie am meisten brauchte?
Sie rollte auf den Bauch herum und verbarg den
Kopf im
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