Moerderjagd
Rott wurde blass, dann hob sie ihren Kopf und sah mich an. »Doktor Ernst ist auch Jäger.« Ihre Stimme klang theatralisch.
Lächelnd zog ich meine Augenbraue hoch. »Auf Wiedersehen, Frau Rott.«
»Ach, das wussten Sie schon!« Sie eilte mir in den Flur nach.
Hansen und ich hatten gerade die Wohnung von Frau Rott verlassen. Da erhielt ich von Kollege Schuster eine Nachricht. Er war auf dem Weg zu Doktor Rupp.
Von unterwegs rief ich bei Frau Weinand an. Sie war wieder gesund zu Hause eingetroffen. Ihr Freund, so sagte sie, hatte sich albern verhalten. Was daran so komisch sei, wenn eine Frau in ihrem Alter mal nicht zur Tagesschau vor dem Fernseher sitze, fragte sie mich.
»Das fragen Sie mal lieber Ihren Freund!«, habe ich gelangweilt geantwortet. Dann platzte die Neuigkeit mit der Schwangerschaft von Susi Rott aus meinem Mund. Sogleich hätte ich mir auf die Lippe beißen können. Es war noch nicht der geeignete Zeitpunkt gekommen. Frau Weinand hüstelte, dann unterbrach sie fadenscheinig das Telefonat.
»Glaube, jetzt habe ich einen Fehler gemacht«, stammelte ich und blickte Hansen von der Seite an. Er vermied es, einen Kommentar abzugeben, was mir gut tat.
Im Büro angekommen, eilte ich zu Metzger. Er hatte in der Zwischenzeit den Geschäftsführer von Luvamat in seinem Büro sitzen. Doktor Ernst war dieses Mal ohne seinen Anwalt gekommen. »Es geschehen noch Wunder«, dachte ich. Oder lag es an dem tragischen Tod von Arno Weber, der ihn nachdenklich gemacht hatte? Vielleicht hatte er auch zu Metzger Vertrauen gefunden.
Metzger war mitten in der Befragung. Ich setzte mich leise auf einen freien Stuhl. Auf keinen Fall wollte ich Doktor Ernst unterbrechen. Er schien heute gesprächiger zu sein.
»Mein erster Gedanke war Paul.«
Die Stimme von Doktor Ernst war unsicher und leise.
»Ich hatte noch nicht einmal seinen Tod ganz verinnerlicht, jetzt kann auch noch der Arno sich die Radieschen von unten ansehen. Schrecklich, einfach schrecklich. Da läuft ein Irrer frei herum. Ich kann sein nächstes Opfer werden, und Sie …
Was? Warum ich Angst habe? Das liegt doch auf der Hand: erst der Paul und nun der Arno. Beide wollten genau wie ich hier einen Windpark bauen. Es muss eine Verbindung geben. Haben Sie sich eigentlich einmal in der Gruppe der Windkraftgegner umgehört? Und was ist mit diesem Staatsanwalt? Dem Pfeiffer? So jemand läuft auch noch frei herum. Sicherlich halten die Kollegen zusammen. Was ich damit aussagen will? Verdächtigen? Ich habe Angst, blanke Angst!
Ob ich was? Nein! Wo denken Sie hin? Ich bin nicht feige, nein! Auch wenn ich jetzt Angst habe, das ist doch wohl erlaubt und verständlich! Der Park wird gebaut. Seit drei Jahren laufen die Vorbereitungen: endlose Gespräche mit den Anwohnern, dem Bürgermeister, dem Verbandsbürgermeister, dem Landrat und, und, und … Das kostet Nerven! Da höre ich doch jetzt nicht einfach auf, so kurz vor dem Ziel? Glauben Sie mir, wenn ich kapituliere und klein beigebe, steht morgen ein anderer Anbieter hier, und die Anlage wird auch aufgestellt. Der Umstieg auf regenerative Energien ist doch auch sinnvoll. Auf dem Dach meines Hauses sind Solarpaneelen angebracht. Die sollte heute eigentlich fast jeder haben. Im Kleinen anfangen und so zum ganz Großen kommen! Das sage ich immer meinen Mitarbeitern.«
Er wischte sich über die Stirn und hielt kurz inne. Metzger reichte ihm ein Glas Wasser.
»Erzählen Sie uns doch bitte etwas aus Ihrem Privatleben, Doktor Ernst! Sind Sie verheiratet?«
»Ja, ich bin … oder besser gesagt, ich war verheiratet. Von meiner ersten Frau habe ich zwei Kinder.
Nein, in der zweiten Ehe gab es keine Kinder. Meine zweite Frau ist vor einem Jahr verstorben, und seither lebe ich alleine.
Paul Weinand? Dem bin ich auf einer Feier bei Doktor Rupp begegnet, seinem Schwager. Dass wir uns von früher her kannten, habe ich Ihnen doch auch schon erzählt. Sie sollten lieber die Gegner befragen statt mich hier …!
Woher ich Doktor Rupp kenne? Noch aus Studienzeiten. Was haben wir damals alles angestellt? Wenn ich heute so darüber nachdenke, war ’ne tolle Zeit!«
»Wieso kennen Sie den Doktor noch aus Studienzeiten? Haben Sie auch Medizin studiert?«
»Wieso ich ihn aus Studienzeiten kenne?«
Doktor Ernst zog seine Krawatte aus. Wie beim ersten Treffen knuddelte er sie wieder unachtsam zusammen und stopfte das edle Teil in seine Jackentasche.
»Ich habe zuerst Medizin studiert, zwei Semester. Dann merkte ich, dass
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