Molly Becker 01 - Hilfe, ich bin reich
nächste Zeit habt ihr ja genug Geld, und inzwischen wird sich schon etwas ergeben, das weiß ich einfach«, sage ich in beschwörendem Tonfall.
»Ja, sicher, Kind, wahrscheinlich hast du recht«, lenkt er ein. Dann sagt er plötzlich ganz gerührt: »Weißt du was, Molly? Deiner Mutter und mir kann es nie schlecht gehen, egal, ob wir nun in diesem Haus leben oder von mir aus in einer verdammten Wohnung.«
»Ach? Wieso denn?«
»Weil wir dich haben, Molly. Du bist das wunderbarste Kind auf der Welt, und wir lieben dich.«
Okay. Das war’s. Voll auf die Tränendrüse. Während ich noch das Gespräch mit Paps beende, überlege ich mir bereits, wie ich Manfred, der jetzt mit besorgtem Blick am Zaun lehnt, die Sintflut in meinem Gesicht erklären soll.
Viel Zeit bleibt mir nicht, denn ich muss mich jetzt ganz dringend an den Computer setzen und einen Brief schreiben.
Flachlandgorillas
Am nächsten Tag schleiche ich auf leisen Sohlen in mein Büro. Ich habe Clarissa zwar am Morgen angerufen und gefragt, ob ich heute ein bisschen später kommen könne, weil ich noch ein paar dringende Dinge zu erledigen hätte, aber da habe ich noch nicht gewusst, dass es so lange dauern würde.
Egal, vielleicht habe ich ja Glück, und Clarissa kriegt gar nicht mit, dass ich volle drei Stunden zu spät bin, und später kann ich dann ja behaupten …
»Na, Molly, auch schon da? Ich hoffe, Sie konnten Ihren Wochenendkater einigermaßen ausschlafen.«
Natürlich, ich und Glück mit Clarissa. Ich brauche ein paar Sekunden, um mich vom Schrecken ihres Anblicks zu erholen. »Wochenendkater? Haha, guter Witz!« Ich produziere ein paar Laute, die ein Lachen sein sollen, aber Clarissa lacht kein bisschen mit. Stattdessen erdolcht sie mich mit ihren Augen und sagt: »Ich weiß nicht, ob Sie es mitbekommen haben, aber Sie haben heute einen Kundentermin versäumt.«
»Tatsächlich?« Ich laufe unwillkürlich rot an.
»Ja. Die Rothenbergers, um halb zehn.« Sie wirft einen demonstrativen Blick auf ihre Armbanduhr – als ob sie nicht genau wüsste, wie spät es ist! »Vor anderthalb Stunden also.«
»Oh, das tut mir leid«, stammle ich mit brennendem Gesicht. »Ich hatte ein paar wirklich wichtige Sachen zu erledigen …«
»Kann ich mir vorstellen«, unterbricht sie mich kühl. »Wie Sie sicher wissen, Molly, kann es auf einer Karriereleiter auch bergab gehen.«
»Ja, ich weiß, aber ich verspreche Ihnen …«
»Was bei Ihnen aber nicht der Fall ist«, ergänzt sie.
»Ehrlich?«, frage ich überrascht.
»Ja, weil Sie bereits ganz unten sind«, sagt sie, und trotz ihrer bewegungslosen Maske kann ich ihr ansehen, dass sie jedes Wort genießt.
Wie ich sie hasse. Eines Tages – spätestens, wenn ich Multimillionärin bin – werde ich ihr eine runterhauen, oder noch besser, ich mache sie richtig fertig, indem ich ganz nahe an sie herantrete und sage: Nanu, was sind denn das für Falten? Das schwöre ich.
Aber nicht jetzt. Noch nicht. Immer einen Schritt nach dem anderen. Spiel deine Rolle, Molly, und spiel sie gut!
»Okay, ich schätze, das habe ich verdient«, presse ich mit demütig gesenktem Blick hervor. »Es wird nicht wieder vorkommen.«
»Wollen wir’s hoffen. Wäre schön, wenn Sie wenigstens für den Rest des Tages auf Ihrem Posten bleiben würden, ich muss jetzt nämlich weg«, sagt sie, und gleichzeitig hellt sich ihre Miene auf.
»Treffen Sie sich wieder mit Phil … mit Herrn Meier?«, entfährt es mir.
»Erraten.« Ihre Mundwinkel wandern einen Millimeter auseinander, was wohl ein zynisches Lächeln sein dürfte. »Einer muss sich ja um die wirklich wichtigen Kunden kümmern, nicht wahr?«
So, jetzt hat sie’s mir aber gegeben. Kaum ist sie zur Tür hinaus, strecke ich ihr die Zunge raus. Blöde Kuh. Ist doch wahr!
Aber was rege ich mich überhaupt auf? Ich werde längst steinreich sein, wenn sie noch immer irgendwelchen Leuten neue Nasen verkaufen muss, und dann werden wir ja sehen, wer von uns beiden auf der Karriereleiter ganz unten steht. Ha.
Aber obwohl ich mir das immer wieder vorsage, brodelt weiter der Ärger in mir, und noch wütender werde ich, als ich auf meinem Bildschirm sehe, dass die Rothenbergers heute gar keinen Termin bei mir hatten. Wusste ich doch, dass mein Terminkalender für heute Vormittag leer war!
Das ist so was von ungerecht. Ich muss mich jetzt ablenken. Am besten gehe ich einen Cappuccino trinken, und falls Fiona einen Termin frei hat, werde ich mich so richtig schön durchkneten
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