Mona Lisa Overdrive
Schraube.
* Zaibatsu: führende Familien Japans, Industriellenclan. — $QP G hEHUV
Unter den zweien befand sich eine einzige breite Schublade; sie klemmte und knarrte beim
Öffnen. Sie blickte wieder um (Archivbilder vom Logo der Fuji Electric über der Bucht von Tokyo), aber von Petal war nichts zu sehen.
Einige Minuten blätterte sie in einem Pornoheft mit japanischem Text, bei dem es offenbar in erster Linie um die Kunst des Knotens ging. Darunter lag ein staubig aussehender Beutel aus gewachster schwarzer Baumwolle und ein grauer Plastikkoffer mit der Aufschrift WALTHER in erhabenen Lettern auf dem Deckel. Die Pistole selbst war kalt und schwer; sie konnte ihr Gesicht im blauen Stahl erkennen, als sie sie aus dem paßgenauen Styroporbett hob. Noch nie hatte sie eine Kanone in der Hand gehalten. Der graue Plastikgriff wirkte riesig. Sie legte die Kanone in den Koffer zurück und überflog den japanischen Teil im vielsprachigen Gebrauchsanweisungsheft. Es war eine Luftpistole; man lud mit dem Hebel am Lauf und konnte mit winzigen Bleikugeln schießen. Noch'n Spielzeug. Sie legte alles in die Schublade zurück und machte sie zu.
Die übrigen Schubfächer waren leer. Sie schloß die Schranktür und kehrte zur Schlacht um
England zurück.
»Nein«, sagte Petal, »tut mir leid, aber das geht nicht.« Er strich Devon Creme auf das weiche Teegebäck. Das schwere viktorianische Streichmesser wirkte wie ein Kinderspielzeug zwischen seinen Wurstfingern. »Probier die Creme«, sagte er, senkte den breiten Schädel und blickte gütig über die Gläser hinweg zu ihr.
Kumiko tupfte sich einen Marmeladenklecks von der Oberlippe mit einer Leinenserviette.
»Glaubst du, ich würde weglaufen?«
»Weglaufen? Willst du das, weglaufen?« Er aß sein Gebäck, kaute unerschütterlich und schaute in den Garten hinaus, wo neuer Schnee fiel.
»Nein«, sagte sie. »Ich habe nicht die Absicht wegzulaufen.«
»Gut«, sagte er und biß wieder ab.
»Bin ich gefährdet auf der Straße?«
»Herrgott, nein«, sagte er bewußt heiter. »Bist sicher wie sonstwo.«
»Ich will raus.«
»Nö.«
»Aber ich geh mit Sally raus.«
»Ja«, sagte er. »Die verkackeiert keiner, unsere Sally.«
»Kenn ich nicht, den Spruch.«
»Du gehst nicht allein aus dem Haus. Auftrag deines Vaters, verstehst du? Alles bestens, wenn du mit Sally ausgehst, aber die ist nicht hier. Es wird zwar sowieso keiner was von dir wollen, aber warum ein Risiko eingehn? Nun würd ich gern, nicht wahr, furchtbar gern mit dir ausgehen, nur bin ich hier auf Posten, falls Swain Besuch bekommt. Also kann ich nicht. Schade, echt schade.« Er machte ein wirklich trauriges Gesicht, so daß Kumiko beschloß einzulenken. »Soll ich dir noch eins toasten?« fragte er, auf ihren Teller deutend.
»Nein danke.« Sie legte die Serviette aus der Hand. »Es war sehr gut«, fügte sie hinzu.
»Nächstes Mal solltest du die Creme probieren«, sagte er. »Gab's nach dem Krieg nicht. Der Regen zog von Deutschland rüber, so daß die Kühe verstrahlt waren.«
»Ist Swain jetzt da, Petal?«
»Nein.«
»Ich seh ihn nie.«
»Viel unterwegs. Geschäfte. Kommt meist alles auf einmal daher. Aber bald sprechen sie wieder alle vor, und dann hält er hier Hof.«
»Wer, Petal?«
»Geschäftspartner sozusagen.«
ª.XURPDNX© sagte sie.
»Was?«
»Ach nichts.«
Den ganzen Nachmittag war sie allein im Billardzimmer, flackte in einem Ledersessel und
schaute zu, wie der Schnee fiel im Garten, bis von der Sonnenuhr nur noch ein bloßer weißer Strich aufragte. Sie stellte sich die Mutter im Garten vor. In dunklen Pelz gehüllt, allein im Garten, wo es schneite, eine Prinzessin-Ballerina, die sich im nächtlichen Wasser des Sumida ertränkte.
Sie stand fröstelnd auf, ging um den Billardtisch zum Marmorkamin, wo eine Gasflame leise zischelte unter Kohlen, die nie verbrannten.
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Sie hatte ’ne Freundin in Cleveland, Lanette, von der sie viel gelernt hatte. Wie man schnell aus einem Auto kommt, wenn ein Freier versuchte, die Türen zu schließen und einen einzusperren, wie man es anstellt, wenn man was kaufen will. Lanette war ein bißchen älter und nahm Wiz hauptsächlich, um, wie sie sagte, Dope der müden Sorte aufzumotzen, denn sie drögelte oft — vom Endorphin-Analogon bis zum schlichten alten Tennessee-Opium. Sonst, sagt sie, hockt sie nämlich nur vor dem Video zwölf Stunden am Tag und schaut jeden Scheiß an. Wenn das Wiz der warmen Unverwundbarkeit eines
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