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Mond der verlorenen Seelen

Mond der verlorenen Seelen

Titel: Mond der verlorenen Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Meyer
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ließ ihn aufschreien, bunte Punkte tanzten vor seinen Augen, bis der Zorn in ihm Oberhand gewann. Mit der freien Hand packte er sie im Genick. Die Wölfin jaulte auf, als Aidan sie fortschleuderte.
    Der Ärmel seiner Jacke war zerfetzt. Blut sickerte aus den vier Löchern, die sie in seinem Arm hinterlassen hatte. Der Geruch seines eigenen Blutes versetzte ihn erneut in einen Rausch, der gestillt werden wollte. Töten! Jetzt, sofort. Er drehte sich im Kreis und sah sich nach Rana um. Aber diese war bereits verschwunden. Sicher ahnte sie seinen Zustand und fürchtete sich davor, das nächste Opfer zu werden.
    Wie ein tollwütiges Tier rannte er blindlings über die Lichtung in den Wald. Blut! Blut! Das Wort hämmerte in seinem Kopf. Es war ihm gleichgültig, von wem und wodurch, er brauchte es sofort.
    „Warrior“, hörte er die Stimme Revenants in seinem Hirn. „So ist es gut. Der Ruf des Blutes ist stark, folge ihm. Nichts ist köstlicher als frisches Blut, das durch die Adern eines sterblichen Körpers gepumpt wird. Rieche es, schmecke es.
    Aidan hielt seine Nase in den Wind. In verschiedenen Richtungen witterte er den verführerischen Duft, der seinen Magen rebellieren ließ. Vor Vorfreude schoben sich erneut die Fangzähne aus seinem Oberkiefer über die Lippen. Er hatte längst sein Ziel aus den Augen verloren und bemerkte erst, dass er den Hügel nach Clava Cairn emporgerannt war, als er den einzelnen Menhir passierte. Frisches Blut erwartete ihn oben am Steinkreis. Seine Muskeln kontrahierten in freudiger Erwartung wie bei einem Krampf.

-10-
    A mber sank tiefer und tiefer. Sie hatte es längst aufgegeben, sich zu wehren und spürte, wie ihre Kräfte schwanden. Unerbittlich zogen sie die knochigen Hände bis auf den Grund des schwarzen Gewässers. Ihr Leben war vorbei, ihre Seele für immer gefangen. Sie würde nie mehr zu ihm zurückkehren. Aidan! Der Schmerz darüber schnitt sich wie ein Messer in ihr Herz. Doch nun war alles zu spät. Der Kampf war verloren.
    Als ihre nackten Füße den schlammigen Untergrund berührten, wurde sie von weiteren Händen gepackt, die aus dem Morast wie Sandwürmer herausragten und sie hinab ins Dunkel zogen. Der letzte Rest Widerstand schwand, sie ließ es geschehen. Eine der Hände bohrte sich wie ein Keil in ihren Brustkorb und umspannte ihr pochendes Herz. Sie wusste, das war der Moment der endgültigen Niederlage, und ihre Seele würde der Finsternis gehören.
    Amber fuhr auf. Ein durchdringender Schrei hatte sie geweckt. Ihr Herz galoppierte in wildem, ungleichmäßigem Rhythmus, dass sie glaubte, es würde ihr die Brust sprengen. Es dauerte einen Moment, bis sie begriff, dass ihr eigener Schrei sie geweckt hatte. Sie starrte in die Dunkelheit. Das Haar klebte im verschwitzten Nacken. Ihr Atem beruhigte sich nur allmählich, so sehr hatte dieser Albtraum sie aufgewühlt. Sie ahnte, dass diese Träume von der Schattenwelt eine besondere Bedeutung besaßen, die es zu entschlüsseln galt. Verfluchte Träume! Die sollten endlich verschwinden. Aber seit sie der Schattenwelt nahe gewesen war, waren sie zu einem ständigen Begleiter geworden. Nie hatte sie sich dem Tod so nah gefühlt, nur als sie das Mal getragen hatte. Nein, das war vorbei, nicht mehr daran denken. Revenant besaß keine Macht mehr über sie.
    Ihre Hand suchte in der anderen Betthälfte nach Aidan. Aber die war leer. Jede Nacht verließ er das Schloss. Wenn die Dämmerung hereinbrach, wurde er unruhig wie ein Raubtier. Sie spürte, dass er ihr zuliebe bei ihr geblieben wäre, aber der Ruf der Finsternis besiegte ihn. Weil Amber einen leichten Schlaf besaß, hörte sie, wenn er sich heimlich fortstahl, stellte sich jedoch schlafend. Nur zu gern hätte sie gewusst, was er in dieser Zeit trieb. Ihren Fragen wich er aus, in dem er behauptete, sich nicht erinnern zu können. Er sprach von einem Blackout. Amber wollte ihm vertrauen, weil sie ihn liebte, aber die Stimme des Zweifels wuchs. Wenn er ihrem Blick auswich, bestätigte er ihre Ahnungen. Aidan war ein anderer geworden, unberechenbar, verschwiegen, eine Wandlung, die ihre Beziehung auf eine harte Belastungsprobe stellte.
    Auch sein Äußeres veränderte sich. Seine bleiche Haut fühlte sich eiskalt an. Wenn Licht darauf fiel, schimmerte sie silbrig und erinnerte an Fischschuppen. Das Strahlen in seinem Blick, das sie bezaubert hatte, war einer gewissen Bitterkeit gewichen und verlieh ihm etwas von einem wilden Kämpfer.
    Tränen stiegen in ihre Augen, wie

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