Mondberge - Ein Afrika-Thriller
von Schellenburg. »Irgendwie müssen wir ihn doch zu Verhandlungen bewegen können.«
»Wir können nichts Ungesetzliches tun, das wissen Sie genauso gut wie ich«, widersprach Wiese. »Wir können aber versuchen zu bluffen.« Er überlegte einen Moment. »Wenn wir ihm nun mitteilen, dass unsere Einheiten die Geiseln längst lokalisiert haben, was wird er dann wohl tun?«, fragte er in die Runde und antwortete sich dann gleich selbst: »Ich gehe davon aus, dass er mit seinen Leuten in Kontakt steht. Und diesen Kontakt dürfen wir nicht trennen, denn das ist zurzeit die einzige Verbindung zwischen uns und den Geiseln. Offenbar besitzt oder beschafft er sich regelmäßig ein Handy.«
»Dann sollten Sie das abhören«, keifte von Schellenburg. »Wozu haben wir denn all die Spezialisten bei Polizei und Geheimdiensten und die millionenschwere Technik für den Lauschangriff?«
»Um das Gerät abzuhören, müssten wir es zunächst einmal orten«, sagte ein Kollege vom BKA. »Einer unserer V-Leute in der JVA Fuhlsbüttel ist sofort aufgeflogen, als er sich Kayibanda genähert hat. Wir haben mit technischen Maßnahmen begonnen, unsere IMSI-Catcher können wir aber erst wieder einsetzen, wenn er auch telefoniert.«
Sven Wiese kratzte sich kurz hinter dem Ohr. Von Schellenburg verdrehte die Augen, und er konnte es ihm nicht verübeln: Die V-Leute agierten manchmal so unbedacht und ohne Umsicht, dass selbst der naivste Bürger in ihnen einen bezahlten Spitzel des Verfassungsschutzes erkennen konnte. Er erinnerte sich an eine Demonstration in München gegen den ersten Golfkrieg, bei der die Parole an alle Freunde herausgegeben wurde, sich auf ein bestimmtes Zeichen hin auf den Boden zu werfen. Alle hatten mitgemacht, nur die zwölf Spitzel des Verfassungsschutzes standen irritiert auf dem Platz und mussten sich den Spott der Protestierenden anhören. Einer der ersten Flashmobs – und der Geheimdienst unfreiwillig mittendrin.
Wiese beschloss, die Geiseln ein weiteres Mal eine nach der anderen zu überprüfen. Auf die allgemeine Zustimmung trat er nach vorne an eine Tafel und schrieb als Erstes die Namen der Geiseln auf. Als er bei Hans Meyer ankam, knallte hinter ihm eine flache Hand auf den Tisch. Von Schellenburg war aufgesprungen und sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
»Gibt es ein Bild von Meyer?«, fragte er entgeistert.
»Ja sicher, haben Sie das noch nicht gesehen?«, erwiderte Huber.
Er reichte eine Fotografie an einen Kollegen weiter, der sie von Schellenburg gab. Der schaute nur kurz auf das Bild, murmelte dann »Verdammt«, packte seine Sachen und verschwand eilig aus dem Raum.
Die Zurückgebliebenen sahen sich ratlos an, dann nahm Wiese das Bild und betrachtete es genauer. Er konnte nichts Ungewöhnliches daran erkennen. Er hatte den Mann nie gesehen, sein Name war mehr als gewöhnlich, in seiner Vita war nichts Auffälliges zu finden. Er war nicht zum ersten Mal in Uganda, aber das musste nichts bedeuten. Doch nun schien es Wiese angemessen, genauer in dieses Leben hineinzublicken. Er setzte Anja Paffrath auf Meyers Spur an. Sie sollte ihrem kriminalistischen Gespür freien Lauf lassen.
Schon eine halbe Stunde später stand sie wieder neben ihm, hielt ein Foto in der Hand, das sie offenbar gerade ausgedruckt hatte. Wiese pfiff anerkennend durch die Zähne, als er die Personen auf dem Bild erkannte: Vier junge Männer in afrikanischer Umgebung prosteten mit Bierflaschen in die Kamera. Ganz rechts Hans Meyer, neben ihm, so erklärte es ihm die Kollegin, stand dessen Bruder Georg, dann kam ein Mann, dessen Namen sie noch nicht herausbekommen hatte, aber links stand er: Johannes Nikolaus Peter Freiherr von Schellenburg, heute der amtierende Generalbundesanwalt. Anja konnte sogar noch ein wenig zu dem Foto erzählen: Es wurde 1970 in der Nähe von Kampala aufgenommen, wo die vier Freunde nach dem Studium gelandet waren. Was aus den anderen beiden geworden war, wusste sie noch nicht. Ebenso wenig konnte sie etwas dazu sagen, ob Meyer und der Freiherr heute noch Kontakt hatten.
Wiese bat den Kollegen vom BKA, umgehend einen richterlichen Beschluss für eine Hausdurchsuchung in Hans Meyers Anwesen in Potsdam zu erwirken. Wenn er irgendetwas mit der Geiselnahme zu tun hatte, dann musste sich dazu etwas in seinem Haus finden.
Er löste die Konferenz auf und zog sich in sein Büro zurück. Die halb volle Wasserflasche auf seinem Schreibtisch leerte er in winzigen Schlucken und mit geschlossenen Augen. Dann
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