Mondberge - Ein Afrika-Thriller
drei eine Weile am Ufer des Sees, musterten die Menschen auf der Insel, ließen die Eindrücke auf sich wirken, so wie es vermutlich auch die Bayira drüben taten.
»Sie fühlen sich von uns bedroht«, murmelte Tom so leise, dass nur Andrea ihn verstand.
»Was sollten wir ihnen denn tun?«
Tom erinnerte sich an seine ursprüngliche Idee, die ihn zum zweiten Mal in dieses Gebirge gelockt hatte. Nun hatte er das Tal gefunden. Er hatte sein Ziel erreicht. Doch um eine Reportage zu machen, würde er noch einmal mit einer neuen Kamera zurückkommen müssen, dachte er, spürte dabei jedoch ein großes Unbehagen.
»Wenn wir davon erzählen, was wir hier gesehen haben, dann werden sich Touristen auf das Tal stürzen«, sagte er. »Und das ist das Ende dieser Harmonie.«
Andrea sah ihn bestürzt an. »Dann dürften sie uns nie wieder gehen lassen ...«
Tom hockte sich an den Uferrand und hielt seine Hand ins Wasser. Er hatte mit eiskaltem Wasser gerechnet, so wie in allen Bächen und Seen hier oben im Gebirge. Aber dieser See war warm. Lauwarm. Er tauchte die Hand erneut unter. Das Wasser war seidig und verlockte geradezu, ein Bad darin zu nehmen. Er wusste, dass das mit Sicherheit der denkbar ungünstigste Zeitpunkt gewesen wäre, sich auszuziehen und in den See zu springen.
Die drei Bayira waren in der Zwischenzeit in ein langes schmales Boot gestiegen, das am Ufer gelegen hatten, und setzten über das Wasser. Sie wurden auf der Insel erwartet und beim Verlassen des Bootes sogleich in eine längere Diskussion verwickelt. Einer der Männer auf der Insel brachte sich besonders vehement in die Auseinandersetzung ein, und Tom schwante nichts Gutes, als er ihn beobachtete.
»Sie scheinen dort drüben einen Schamanen zu haben, der uns nicht allzu wohlgesonnen ist.« Peter sah sorgenvoll aus.
»Wie kommst du darauf, dass es ein Schamane ist?«, wollte Andrea wissen.
»Die Heftigkeit, in der er spricht, das Auftreten, sein gesamter Habitus ... Das kenne ich nur von Schamanen. Die Bayira sind eher ein gelassenes und ruhiges Volk.«
In diesem Moment traten weitere Bayira aus dem dichten Wald hinter ihnen heraus, etwa hundertfünfzig Meter von ihnen entfernt. Zwei Männer mit mehreren Jungen. Die beiden Erwachsenen schauten nur einmal kurz zu Tom und seiner Gruppe herüber, begannen danach jedoch sofort, sich den Menschen auf der Insel bemerkbar zu machen. Sofort sprangen drei Männer in Boote und paddelten mit schnellen Schlägen von der Insel über das Wasser. Die Jungen am Ufer sahen mit einer Mischung aus Neugier und Verunsicherung zu den Europäern herüber. Einer löste sich aus dem Trupp und ging langsam auf sie zu, aber schon nach ein paar Metern war einer der Erwachsenen bei ihm und hielt ihn zurück. Tom und die anderen wurden jetzt Zeugen eines leise begonnenen, dann jedoch immer lauter geführten Streits, an dessen Ende der Junge sich aus dem Griff und dem Willen des Älteren befreien konnte und nun mit sicheren Schritten auf sie zukam.
Drei Meter vor Tom blieb er stehen. Er musterte ihn von oben bis unten, kam aber nicht näher heran. Andrea und Peter waren neben Tom getreten, und gemeinsam standen sie dem Jungen gegenüber. Schließlich war es der Junge, der seine Hand zum Gruß hob.
»Wabuchire. Nyiri Kambere. Yiriwahi? «
Tom hob die Hand ebenfalls und bemerkte, dass ihm der Junge kaum bis zur Brust reichte. Hitimana gesellte sich zu ihnen.
»Er heißt Kambere und er begrüßt uns«, sagte er.
»Hallo Kambere«, sagte er. »Ich bin Tom.« Er stellte auch seine Begleiter vor.
Hitimana übersetzte alles zügig.
»Was wollt ihr in diesem Tal?«, fragte Kambere.
»Wir sind auf der Flucht und brauchen Hilfe«, sagte Tom.
Aus dem Augenwinkel bemerkte er, wie Peter und Andrea etwas nach hinten traten, um ihm deutlich zu machen, dass er das Gespräch führen sollte.
»Weshalb seid ihr in unser Tal gekommen? Ihr dürft nicht hier sein.«
»Du und deine Familie – ihr lebt doch auch hier.«
»Das ist unsere Aufgabe. Wir schützen das Tal.«
»Und ihr lebt mit den Berggorillas zusammen.«
»Mit was?«, fragte Kambere verwundert.
»Na, die Tiere dort drüben.« Tom wies mit der Hand auf die immer noch am Ufer sitzenden Berggorillas. Kambere wandte sich um, blickte in die gewiesene Richtung und begann zu lachen.
»Das sind doch keine Tiere«, sagte er immer noch lachend. »Das sind die Balindi. Sie leben schon seit Ewigkeiten hier. Ohne sie gäbe es das Tal nicht. Und ohne das Tal gibt es die Balindi
Weitere Kostenlose Bücher