Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mondberge - Ein Afrika-Thriller

Mondberge - Ein Afrika-Thriller

Titel: Mondberge - Ein Afrika-Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Martin Meyer , Andreas Klotz
Vom Netzwerk:
Ruwenzori. Anfangs hegte sie großes Misstrauen gegen den jungen Fremden. Lange saß Tom bei ihr, viel Geduld musste er aufbringen, bis sie begann, mit ihm zu sprechen.
    Sie war – wie so viele ihres Volkes – aus den Bergen umgesiedelt worden, als der Nationalpark 1991 erweitert worden war. Ihre Großmutter hatte ihr von einem Tal berichtet, das von den Geistern ihres Volkes beschützt wurde, und sie gab dieses Wissen an ihre Kinder, Enkel und Urenkel weiter. Ein Tal, angefüllt mit dem Grün der Berge, immer von Wolken und Nebel verdeckt. In diesem Tal waren die Geister zu Hause. Hierhin zogen sie sich zurück. Die alte Frau hatte Tom das Tal so plastisch beschrieben, dass er es sich noch immer detailliert vorstellen konnte. Aber niemand wusste genau, wo es lag.
    Eine Bewegung zwischen den Bäumen ließ Tom stocken. Er hatte einen Schatten gesehen. Aus den Augenwinkeln. Oder doch nicht? Er schüttelte den Kopf, konzentrierte sich wieder auf den Weg, der hier rutschig und von Wurzeln durchzogen war. Da war es wieder. Er blieb stehen. Jetzt sah er eine Silhouette, die im Dunst zwischen den Bäumen hindurchglitt. Tom schrak zusammen, als er eine Hand auf seiner Schulter spürte.
    »Beachte ihn einfach nicht.« Neben ihm stand Nzanzu, schob ihn sanft weiter.
    »Was ist das?« Tom spürte Unbehagen in sich aufsteigen.
    »Das werden wir später erfahren.«
    »Was meinst du damit? Was werden wir erfahren?«
    »Ob es ein guter oder ein böser Geist ist.« Nzanzu griff ihn am Arm und zog ihn weiter. Tom schüttelte ihn energisch ab.
    In diesem Moment wehte eine kühle Brise über sie hinweg und zerriss den Nebel. Die Sonne stand fast senkrecht über ihnen. Tom griff nach seiner Wasserflasche und nahm einen tiefen Schluck. Andrea wandte sich um und sah ihn an.
    »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte sie.
    Tom nickte rasch. »Musste nur einen Schluck trinken.« Er stopfte die Flasche zurück in seinen Rucksack und marschierte an ihr vorbei.
    »Das ist verdammt anstrengend.« Er lächelte bemüht.
    Andrea musterte ihn kritisch, zuckte mit den Schultern und lief hinter ihm her. Tom spürte, wie sie ihn beobachtete, doch er beschloss, nichts von dem, was er gesehen hatte, zu erzählen. Sonst würde die hübsche Frau noch an seinem Verstand zweifeln. Und das wäre schade, sehr schade. Wäre er in Deutschland, dann würde er sie zu einem Drink einladen, um sie besser kennen zu lernen. Aber Deutschland schien unendlich weit weg von dieser Gegend hier.
    Tom dachte an seinen Vater. Er war seit Jahren krank. Die Prostata. Obwohl er sich einer Behandlung nach der anderen unterzog, immer wieder neue Therapien ausprobierte und sich den neuesten Methoden, die aus den USA nach Europa kamen, aussetzte, ließ sich der Krebs nicht eindämmen. In den vergangenen sechs Monaten war Tom fast jedes Wochenende bei seinen Eltern gewesen, hatte viel mit seinem Vater gesprochen und dessen stetigen Verfall mit Erschrecken verfolgt. Tom hatte ihm natürlich von seinen Reiseplänen erzählt. Und sein Vater hatte darauf gedrängt, dass er die Reise in Angriff nahm.
    In der Tiefe seines Magens machte sich ein Gefühl breit, das Tom nicht kannte. Es forderte Raum, entzog ihm Wärme und stieg langsam hinauf, bis es ihm beinahe den Hals zuschnürte. Tom spürte Tränen in seinen Augen. Unruhe durchzuckte ihn bis in jede Spitze des Körpers. Die Haut begann zu kribbeln, ihm wurde kalt. Übelkeit übermannte ihn; er blieb stehen. Was hatte er getan? Hätte er bei seinem Vater bleiben sollen? In diesem Moment wollte er bei ihm sein, an seinem Bett sitzen, ihn einfach nur ansehen. Das eingefallene Gesicht, die Haut, die sich wie Pergament über seinen Knochen spannte. Er wollte neben ihm liegen, zusehen, wie sein Vater hin und wieder wach wurde, ein paar Worte mit ihm wechseln, ihn wieder einschlafen sehen. Bei ihrer letzten Begegnung hatte Tom sich mit einem stummen Gruß von ihm verabschiedet.
    Die Übelkeit verflüchtigte sich allmählich wieder und machte einem Gefühl Platz, das so tief war wie der Wald um ihn herum. Die Liebe zu seinem Vater durchflutete ihn. Sie füllte jede Pore seines Körpers aus, verlieh ihm Kraft, strahlte durch die Haut. Tom meinte zu glühen. Wie glücklich konnte er sich schätzen, einen Vater zu haben, der ihn in jeder Situation seines chaotischen Lebens begleitet hatte, der immer für ihn da gewesen war.
    Als Tom wieder um sich schaute, verdunkelte sich der Himmel langsam, und fernes Grollen kündigte ein Gewitter an. Die Guides

Weitere Kostenlose Bücher