Mondglanz
Soldaten sterben im Krieg. Das weißt du, Dina, und du weißt, wie er ist. Und jetzt sag mir, es wäre in Ordnung für ihn, unsere ganze Zivilisation in Gefahr zu bringen, indem wir versuchen, ihn zu befreien. Sag mir, das wäre nicht weit schlimmer für ihn, als in Ehre zu sterben.« Ich halte dem stählernen Blick ihrer grünen Augen stand und mache sogar einen Schritt auf sie zu. »Komm schon. Wenn du das über die Lippen bringst, dann machen wir ab jetzt, was du sagst.«
Aber sie schafft es nicht und senkt die Lider über ihre tränennassen Augen. »Es hätte nie so kommen dürfen.«
Eigentlich müsste ich genauso fühlen wie sie, aber irgendwann kommt der Punkt, da ist man Verluste so gewöhnt, dass man den Schmerz nicht mehr spürt. Hammer drückt Dina von hinten an sich, ich schließe die beiden in die Arme, und Dina legt den Kopf auf meine Schulter. Während ihre Tränen auf meinen Hals tropfen, stehe ich da, unverrückbar wie ein Felsen.
Ich höre, wie Jael hinter uns mit irgendjemandem spricht. Ich müsste mich umdrehen, um zu sehen, was los ist, aber das kann warten. Wenn ich Dina jetzt auch noch verliere, weiß ich nicht mehr, was ich tun soll. Ich streiche ihr übers Haar und bewundere sie für ihre Emotionalität.
»Jetzt, da die Ithorianer fürs Erste zufrieden sind, werde ich meine eigenen Nachforschungen weitertreiben«, flüstere ich. »Darauf hast du mein Wort. Und wenn ich herausfinden sollte, dass einer von uns dafür verantwortlich ist, werde ich ihm bei lebendigem Leib die Haut abziehen und sie ihn fressen lassen.«
»Da will ich dabei sein.« Dina hat sich wieder unter Kontrolle und macht sich los.
»Abgemacht. Aber wenn es einer von den Ithorianern war, wird er wohl nie zur Rechenschaft gezogen werden. Verstehst du das?«
Sie nickt. »Das Wohl der Vielen steht über dem der Wenigen. Ich bin mit Diplomatie aufgewachsen, Jax. Ich weiß, was ein strategisches Opfer ist. Nur … Nicht Marsch. Er hat so viel gegeben. Verstehst du?«
In der Tat. Wenn einer ein glückliches Leben in Frieden verdient hat, dann er. Aber es bekommt nun mal nicht jeder das, was er verdient. Deshalb leben mindestens genauso viele Heilige auf der Straße wie Tyrannen in Palästen.
»Ich hab gute Nachrichten«, mischt sich Jael ein. »Während ihr die ganze Zeit über Gefühlshygiene betrieben habt, habe ich Doc erreicht. Er hat was gefunden und will, dass wir zum Schiff kommen. Wir stehen doch nicht mehr unter Hausarrest, oder?«
»Finden wir’s raus.« Ich marschiere zur Tür.
Es heult kein Alarm los. Sie haben nicht einmal eine Wache auf dem Flur gelassen. Das bedeutet, sie glauben Marsch. Und jetzt, da sie ihn in Gewahrsam haben, gibt es keinen Grund mehr, auf uns aufzupassen.
Wir machen uns auf den Weg zu den Zügen, denn ohne uns findet Doc nie und nimmer zum Krankenhaus. Als wir beim Schiff ankommen, ist Saul glücklicherweise zu abgelenkt, um nach Marsch zu fragen. Manchmal vergesse ich, wie viel von einem verrückten Wissenschaftler in ihm steckt – im bestmöglichen Sinne –, und ich bin froh, dass er vollkommen aus dem Häuschen ist wegen des Medikaments, das er gefunden hat.
»Großartige Arbeit«, lobe ich ihn. »Ich kann dir nicht sagen, wie wichtig das für uns ist. Bist du sicher, dass es funktionieren wird?«
Doc runzelt die Stirn. »So sicher ich eben sein kann aufgrund der Simulationen.«
»Bringen Sie ihn ja wohlbehalten zurück«, ruft Rose mir noch mit einem strengen Blick hinterher.
Die beiden sind seit Jahren ein Paar. Aus Mairs Aufzeichnungen weiß ich, dass sich Rose für ihn eingesetzt hat, nachdem er von der Kommune auf Saleris nach Lachion gekommen war, um dort für den Dahlgren-Klan als Genetiker zu arbeiten. Die anderen haben ihn nur ausgelacht. Sie hielten ihn für einen Schwächling, weil er sich weigerte zu kämpfen. Saul und Rose sind nicht verheiratet, aber sie liebt ihn über alles und sieht es nicht gern, dass er das Schiff verlässt. Aber wir brauchen ihn, damit er den Ithorianern erklären kann, wie sein Medikament wirkt. Sie werden es erst einmal testen wollen, um weiteren Schaden zu vermeiden, aber ich bin guter Hoffnung. Wenn es einem von uns gelingt, Scharis zu retten, wäre das von unschätzbarem Wert für die Allianz. Nachdem sich Marsch geopfert hat, muss es einfach funktionieren. Es darf nicht umsonst gewesen sein.
Scharis wird schwer bewacht. Kein Wunder. Vel muss sich durch die Hierarchien nach oben arbeiten und unser Vorhaben vier verschiedenen
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