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Mondlaeufer

Mondlaeufer

Titel: Mondlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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Ausbildung zum Edelmann vorgezogen hatte, Lichtläufer zu werden. Wahrscheinlich spiegelte sich die Ernsthaftigkeit seiner Ziele in seiner Persönlichkeit wider, überlegte sie. All das Spielerische und Humorvolle, das sie an Sorin so liebte, war Andry während seiner Jahre an der Schule der Göttin sicherlich ausgetrieben worden.
    Jetzt drehten andere junge Männer ihre Runden, und Alasens Blick fiel auf eine prachtvolle Fuchsstute aus Radzyn, die von einem Jüngling im Hellgrün von Meadowlord geritten wurde. Der Knappe ließ seine Stute elegant in einem Winkel über die Wiese tanzen, der unmöglich schien, und die Zuschauer waren voller Anerkennung, als das Pferd mit der luftigen Anmut einer Feder in einer Sommerbrise die Richtungen wechselte. Der junge Mann war mittelgroß, hatte den dunklen Teint des fironesischen Bergvolkes und sah nicht halb so gut aus wie Sorin. Doch als er an ihr vorbeiritt, änderte sich ihre Meinung über sein Aussehen rasch, als sie in seine großen, samtigen, tiefbraunen Augen mit bronzefarbenen Tupfen blickte, die von langen und dichten, schwarzen Wimpern umrahmt unter dicken, geraden Brauen lagen. Wegen dieser erstaunlichen Augen war sein Gesicht nicht nur nett anzusehen, sondern geradezu schön. Vor ihr zügelte er seine Stute, verlagerte sein Gewicht eine winzige Spur – und plötzlich bäumte sich das Pferd hoch auf, zog die Beine an und kam dann wieder herunter, um nach hinten auszukeilen. Es war das Bild eines Schlachtrosses, präzise und tödlich, und die Menge brach in Beifall aus.
    »Bravo, gut gemacht!«, rief Alasen mit den anderen Zuschauern begeistert.
    »Findet Ihr?«, sagte eine tiefe Männerstimme an ihrer Schulter.
    »O ja«, antwortete sie, ohne sich umzudrehen, denn sie war von dem Ritt des jungen Mannes hingerissen. »Einfach tadellos! Wisst Ihr, wer er ist, Herr? Er trägt die Farben von Meadowlord, aber schließlich tragen alle Knappen die Farben ihres Ziehherrn.«
    »Seine Farben sind Blau und Braun. Für Skybowl. Sein Name ist Riyan, und er ist mein Sohn.«
    Erst jetzt sah Alasen zu einem freundlich lächelnden Gesicht auf. Die Brauen und die Nase zeugten von der Ähnlichkeit, und sie dachte sich, dass der Sohn in ein paar Jahren fast so edel aussehen würde wie sein Vater. Doch ihre Augen waren grundverschieden; die Augen, die jetzt zu ihr herunterblickten, waren grau, von dunklen Wimpern umgeben. Die dichten, braunen Locken wiesen bereits einige silberne Fäden auf. »Ihr müsst Lord Ostvel sein«, sagte sie und gab das Lächeln zurück.
    »Der bin ich. Ich danke Euch im Namen meines Sohnes für Euer Lob. Der Stolz eines Vaters ist eine Sache, doch die Bestätigung aus dem Mund einer jungen Dame …« Er zuckte voller Selbstironie die Achseln. »Und Ihr müsst Prinzessin Alasen von Kierst sein.«
    »Wie habt Ihr das erraten? Ich habe heute doch extra mein ältestes und unauffälligstes Kleid angezogen und versuche ständig, mich unter die Menge zu mischen!« Sie lachte zu ihm hoch.
    »Ich bezweifle, dass Euch das je gelingen könnte, Herrin. Weshalb ich weiß, wer Ihr seid? Ich habe Eure Mutter einmal kennengelernt, und Ihr seht ihr ähnlich. Eure grünen Augen verraten schließlich alles. Sie haben genau dieselbe Farbe wie die von Prinz Davvi und dieselbe Form wie die der Prinzessin Sioned.«
    »Wirklich? Ich weiß, dass ich meiner Mutter sehr ähnlich sehe, aber meint Ihr wirklich, ich ähnele der Höchsten Prinzessin ein wenig?«
    »Das klingt ja, als ob Euch das gefallen würde. Aber ich würde sagen, es genügt vollauf, wenn Ihr ausseht wie Ihr selbst. Auf jeden Fall habt Ihr den jungen Mann da drüben sichtlich beeindruckt.« Er nickte zu Lord Chaynal hinüber, der mit einem Jüngling zusammenstand, dessen blaue Augen sie tatsächlich intensiv musterten. »Offensichtlich findet er es viel erfreulicher, Euch anzusehen, als dem Ritt seines Bruders zuzuschauen.«
    »Seines Bruders?«, wiederholte Alasen verständnislos.
    »Sorin. Euer junger Verehrer ist Andry von Radzyn, im Moment ist er an der Schule der Göttin.«
    Sie vergaß die Würde ihrer zweiundzwanzig Jahre und sah voller Neugier hinüber. Das also war Sorins Zwillingsbruder! »Sie sehen sich nicht sehr ähnlich, nicht wahr, Herr?«
    »Früher war es beinahe unmöglich, sie auseinanderzuhalten. Aber in den letzten Jahren haben sie sich ziemlich unterschiedlich entwickelt.« Plötzlich war seine Stimme ausdruckslos, und sie sah erstaunt zu ihm hoch. Er bemerkte ihren Blick und lächelte wieder.

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