Mondlaeufer
er nur ganz kurz von Gemma weg. Die steckte ihre Nase in ein Buch und beachtete nichts und niemanden. Die blauen Augen der blassen, zarten Danladi verengten sich besorgt. Sioned lehnte sich stirnrunzelnd zurück.
Beim nächsten Rennen siegte eines von Lord Kolyas Pferden. Der junge Mann tänzelte vor Stolz und Aufregung, als er hinunterlief, um den Reiter zu beglückwünschen. Er warf tatsächlich seine Arme der Stute um den Hals. Das Prinzentrio lachte, und dann passten sie genau auf, als das nächste Rennen angesagt wurde. Jetzt ritt Maarken.
»Ich möchte so gerne, dass er gewinnt«, sagte Tobin mit einer Beiläufigkeit, die ihr niemand abnahm. »Ich kann es mir nicht leisten, ihm welche von meinen Juwelen abzugeben, wenn er endlich mal eine Kette für eine Braut braucht.«
Rohan schnaubte und tauschte ein verstecktes Grinsen mit Sioned aus. Kurz darauf hatte Maarken einen leichten Sieg errungen. Tobin vergaß alles um sich herum, sprang auf und jubelte ihrem Sohn zu. Diesmal brachen Rohan und Sioned in Gelächter aus und ließen sich auch durch Tobins strenge Blicke nicht einschüchtern.
Ein Eisverkäufer kam den Gang hoch, und Rohan warf ihm Münzen für drei Becher zu. Tobin sicherte sich das Apfeleis, indem sie es ihrem Bruder einfach aus der Hand nahm.
»Das wollte ich!«, beschwerte er sich. »Ich habe es bezahlt, also muss ich doch wohl die erste Wahl haben!«
»Sei still und benimm dich«, mahnte Tobin und reichte ihm das Moosbeereneis zurück, das er ihr gegeben hatte. »Man möchte meinen, du seist immer noch zwölf Jahre alt.«
»Liebe Schwester, du bist ein selbstsüchtiges Biest, völlig aus der Art geschlagen«, murrte er. »Guck, da ist Sorin!« Als sie den Kopf wandte, schnappte er sich ihren Becher und gab ihr wieder das Moosbeereneis.
»Rohan!« Sie stieß ihm den Ellbogen in die Rippen.
Sioned lachte. »Gleich seid ihr wieder Kinder und fangt an, Drachen zu spielen. Der Hoheprinz und die Herrin von Radzyn, also wirklich! Und jetzt sagt mir mal, was für ein schönes Tier Sorin da reitet. Es sieht aus wie eines von Pashtas Nachkommen.«
»Das ist es auch. Das ist Joscenel, der Zwilling zu Andrys Maycenel. Wir haben beiden ein gutes Pferd geschenkt, als sie Knappen wurden. Rohan, gib das Eis zurück!«
Er hielt den Apfeleisbecher so, dass sie nicht drankam. »Ein gutes Pferd? Das da sieht aus wie ein Muskelpaket mit einer Haut aus Sonnenlicht. Ich gebe ihm drei Längen und einen Schweif.«
»Pashta hat nie ein besseres Paar gezeugt«, sagte Tobin. »Also wette ich nicht, kleiner Bruder.« Sie leckte sich das tropfende Eis von der Hand und schnitt ihm eine Grimasse. »Das ist sowieso besser als Apfel.«
»Wirklich?« Er versuchte, die Becher wieder auszutauschen, und sie kicherten wie kleine Kinder.
Sioned, die mit ihrem Schneekirscheneis unbehelligt war, hörte auf zu lächeln, als ein anderes Pferd in Sicht kam, »Rohan! Sieh doch, wer das Pferd aus Kadar reitet.«
Er sah sich um. Alle Heiterkeit verließ ihn, und das Licht wich aus seinen Augen.
»Und?«, forderte Tobin. »Ich bin ein Opfer des Alters, meine Augen taugen nichts mehr auf diese Entfernung. Wer ist es?«
»Masul«, erwiderte Rohan tonlos.
Anscheinend hatten ihn alle gleichzeitig gesehen. Schweigen senkte sich wie eine Wolke über die lebhafte Unterhaltung auf den Rängen. Irgendwo erklang noch ein letztes, nervöses Kichern, dann war alles still. Masul ritt einen herrlichen Braunen mit der typischen weißen Blesse und den fedrigen, weißen Behängen an allen Hufen, die für Tiere aus Kadar Water charakteristisch waren. Allerdings trug der junge Mann nicht die Farben von Lord Kolya, und der war offensichtlich schockiert, als er sah, dass der angebliche Prinz eines seiner Pferde ritt. Masul trug ein Seidenhemd im tiefen Violett der Prinzenmark.
Er hatte seinen Bart abrasiert, ein Schachzug, der niemandem verborgen blieb, der auch nur ein bisschen denken konnte. Jetzt sah man die klaren, jedoch wenig schönen Linien seiner Wangen und seines Kiefers unter den überraschend grünen Augen. Als die Pferde an den Tribünen vorbeikamen, fing Sioned für einen Augenblick seinen Blick auf und sah die reine Schadenfreude in seinem Grinsen. Sie kochte vor Wut, dass er es wagte, die Farben der Prinzenmark zu tragen, und war gleich darauf von Herzen dankbar, dass Pandsala höchstwahrscheinlich in ihrem Zelt saß. Rohan hatte ihr von der Laune und dem Auftritt der Regentin am Vortag erzählt, und Sioned war sicher, dass Pandsala
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