Mondlaeufer
am Zaun und hielt einen Platz frei, wo sie sich darunter hinwegducken konnten. »Rüber zu den Pferden, schnell, oder es gibt Ärger. Chays Gesicht sieht mordgierig aus.«
»Kann man ihm das verdenken?«, fuhr Tobin auf, ehe auch sie durch den Zaun stieg.
Rohan war bereits auf der Rennbahn und wartete, bis Sorin seinen geschlagenen und zitternden Hengst trockengeritten hatte. Er hielt seine Schwester an den Schultern zurück, als diese zu ihrem Sohn eilen wollte. »Nein! Du wirst zertrampelt. Tobin, bleib hier.«
»Ich hol diesen verlogenen Bastard vom Pferd und werfe ihn den Drachen vor!«, zischte sie. »Lass mich los!«
Er ertrug ihren Widerstand einen Augenblick, dann schimpfte er: »Hör auf! Sollen dich alle so sehen?«
Sioned wäre das egal gewesen, doch Tobin, die als Prinzessin geboren und erzogen war, hatte gelernt, nach außen hin das Gesicht zu wahren. Sie schüttelte ihren Bruder ab und strich sich das Haar zurück. »Deshalb musst du mir nicht alle Knochen durchschütteln«, sagte sie kalt.
Weil er das richtig als Zeichen dafür deutete, dass sie wieder zu sich kam, nickte Rohan. Sorin ritt jetzt in ihrer Nähe, und wenige Augenblicke befürchtete Sioned, Tobin würde erneut explodieren. Sie konnte den Unterschied zwischen den Spuren der Zweige und der Wunde auf der zerrissenen, blutigen Schulter sehen, wo die Peitsche niedergesaust war. Doch obwohl die Wut noch heißer in ihren Augen brannte, sagte sie nichts.
Sioned merkte, dass jemand sie am Ärmel zupfte, und drehte sich um. Alasen stand mit aschgrauem Gesicht neben ihr. »Geht es Sorin gut?«, flüsterte das Mädchen, und Sioned erinnerte sich daran, dass die beiden an Vologs Hof miteinander aufgewachsen waren.
»Kein Problem, er wird von diesem Tag nur eine Narbe zurückbehalten.«
Jetzt ritt Sorin langsam heran, da sich Joscenel inzwischen beruhigt hatte. Er lächelte Alasen kurz an. »Ich bin unverletzt, Allie. Aber holt mich um alles in der Welt hier raus, ehe ich dieses Schwein umbringe. Ich wage mich nicht näher als auf eine Länge an ihn heran.«
»Du oder dein Vater«, sagte Rohan ruhig, obwohl auch seine Augen blitzten. »Aber es ist nicht nötig, die Schweine zu beleidigen, Sorin. Die sind sicher viel besser erzogen als Masul. Kommt, wir bringen das Pferd hinüber und lassen es versorgen, hm?«
Tobin wandte sich Rohan mit einem wütenden Blick zu. Sie fühlte sich verraten, denn sie wollte noch immer nichts anderes, als Masul wegen seines Verhaltens zur Rede stellen. Doch sie gehorchte Sioneds warnendem Blick und nahm mit zitternder Hand Joscenels Zügel. »Bloß raus hier«, stieß sie hervor und führte sie in die Richtung, wo Ostvel den wutbebenden Chaynal aufgehalten hatte.
Rohan betrachtete Alasen. »Bei diesen grünen Augen gibt es keinen Zweifel, wer Ihr seid. Prinzessin, würdet Ihr bitte hierbleiben und gewisse Leute für mich beobachten?«
Sie begriff sofort. »Natürlich, Hoheit. Es wird mir eine wahre Wonne sein.«
Sorin lachte ihr über die Schulter zu. »Los, geh und flirte mit Masul. Er wird so verwirrt sein, dass er nicht merkt, dass du eigentlich vorhast, ihm die Augen auszukratzen.«
»Wenn ich wirklich meine Hände an ihm besudeln wollte, dann würde ich erheblich tiefer zielen«, gab sie zurück und wandte sich der Gruppe zu, die sich um den Sieger versammelt hatte.
Rohan zwinkerte verdutzt und runzelte die Stirn, als Chaynal heranstürmte, der Ostvel doch noch entkommen war. »Nicht hier«, befahl er scharf, bevor Chay den Mund öffnen konnte. »Man muss sich um dieses Pferd kümmern.«
Chaynal lief purpurrot an, und einen Moment lang glaubte Sioned, er würde sich Rohan widersetzen. Doch dann schluckte er schwer und nickte.
»Wie du befiehlst, mein Prinz.« Er fuhr mit den Fingern sanft über den angesengten Bauch und die Beine des Hengstes und sah dann seinen Sohn an. »Das musst du mir erklären. Ich schätze aber, du kannst es.«
»Nicht hier«, wiederholte Rohan, und sie machten sich auf zu den Koppeln.
Unterwegs schlossen sich Pol, Maarken und Andry ihnen an. Sioned versuchte, in den Gesichtern der Brüder zu lesen, doch sie fand nur Zorn. Da sie nach allem, was geschehen war, nicht mehr glaubte, dass sie einen von ihnen im Sonnenlicht gespürt hatte, bat sie Maarken mit einem Blick, er solle zu ihr kommen.
»Hast du dem Rennen zugesehen?«, flüsterte sie. »Als Faradhi?« Als er überrascht den Kopf schüttelte, rief sie auch Andry zu sich und erhielt dieselbe Antwort.
»Und du?«,
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