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Mondlaeufer

Mondlaeufer

Titel: Mondlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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Schmerz peinigte ihn weniger als sein eigener. Es war ein selbstsüchtiger Schmerz, die Strafe für das, zu dem er Pandsala Macht gegeben hatte. Doch es gab ein Mittel gegen seinen Schmerz und den von Sioned. Keiner von ihnen musste allein sein. Feige und schwach war er, aber er konnte nicht ohne den Trost durch den Verstand und das Herz seiner Frau leben.
    Als er seinen Bericht beendet hatte, hatte sie ihr Gesicht mit den Händen bedeckt, als hätten seine Worte Bilder heraufbeschworen, die sie nicht ertragen konnte. Lange sagte sie nichts. Dann flüsterte sie schließlich: »Ihr Vater hat eine lebende, grüne Wiese mit Salz getränkt. Sie tat dasselbe mit Blut.«
    Als er daran erinnert wurde, zuckte Rohan zusammen. In jenem Herbst und Winter, als er gegen Roelstra gekämpft hatte, hatte es so viele Tage geregnet, dass sie niemand mehr zählen konnte. Beim ersten Abflauen der Stürme war er mit Chay und Davvi losgeritten, um die Ebene auszukundschaften, wo Roelstras Armeen gelagert hatten. Die Truppen waren abgezogen. Stattdessen lag dort ein großer, flacher See, der durch die Umleitung eines Nebenflusses des Faolain entstanden war. Doch ehe das Wasser hineingeleitet worden war, um das Gras zu ertränken und die Erde in zähen Schlamm zu verwandeln, hatte Roelstra alles mit Salz bedecken lassen.
    Er hatte die Macht für diesen Befehl, die Erde zu verseuchen, gehabt. Rohan hatte es gesehen, hatte die Schwaden mit dem scharfen Geruch verrottender, salziger Erde in der Nase gespürt und hatte fast geweint. Die gleiche hilflose Verzweiflung fühlte er jetzt.
    »All das Blut …« Sioned sah verstört auf. »Es klebt auch an uns, Rohan. Wir versuchen immer wieder, uns sauber zu waschen, doch es geht nicht ab. Sie ist genau wie Ianthe, genau wie sie! Warum haben wir das nicht gesehen ?«
    »Es war meine Blindheit. Nicht deine. Ich lasse nicht zu, dass du die Schuld für mein Versagen jetzt auf dich nimmst.«
    Sie schüttelte störrisch den Kopf, während Tränen über ihre Wangen rannen. »Man hat uns beide gewarnt. Und wir haben nicht darauf gehört. O gütige Göttin, Rohan, was haben wir getan! Roelstras Tochter!«
    »Nichts davon wird Pol beflecken. Sioned, hör mir zu. Ich werde nicht zulassen, dass das unseren Sohn befleckt.«
    »Er ist nicht mein Sohn!«
    Aber schon stand er bei ihr und hielt ihr Gesicht zwischen seinen Händen. »Sag das nicht! Er ist dein Sohn!«
    Tränen liefen wie Narben über ihre Haut. Auf ihrer weißen Wange trat plötzlich das sichelförmige weiße Zeichen deutlich hervor. »Wie kann ich es glauben? Wie kann ich glauben, dass ich das Richtige tat, als er geboren wurde …«
    »Wenn du daran zweifelst, dann sag ihm die Wahrheit. Jetzt. Heute.«
    Ihre Augen weiteten sich. Er hielt den Atem an vor Angst, dass es ein Fehler gewesen sein könnte, sie absichtlich zu erschrecken. Doch kurz darauf erschauderte sie und streckte die Hand nach ihm aus. Er zog sie zu sich hoch und nahm sie in die Arme.
    »Das kann ich ihm nicht antun«, flüsterte sie. »Nicht so früh.« Ein weiterer Schauder durchlief sie. »Was bin ich für eine Heuchlerin! Ich habe Angst um mich selbst, Rohan. Ich will ihn nicht verlieren.«
    »Das kannst du doch nicht. Niemals. Sioned, er ist dein Sohn. Du bist seine Mutter.«
    Nach einer Weile nickte sie an seiner Schulter. »Daran muss ich fest glauben, nicht wahr?« Sie trat einen Schritt zurück und rieb sich die Augen. »Du hast noch nicht erzählt, was du jetzt mit Pandsala vorhast.«
    »Ich kann sie kaum nach fünfzehn Jahren Treue mit öffentlicher Hinrichtung belohnen. Es sei denn, ich decke alles auf.«
    »Noch eine geheime Furcht für uns«, fügte Sioned bitter hinzu. »Lass sie am Leben. Sie wird niemals reden. Lass sie irgendwo verfaulen.«
    »Wen setzen wir aber an ihrer Stelle in die Felsenburg?« Er hatte bereits jemanden im Sinn, doch er fragte sich, ob sie wohl dieselbe Idee hatte.
    »Ostvel«, sagte sie sofort. »Niemandem sonst können wir so sehr vertrauen. Riyan kann Skybowl übernehmen. Er ist jung, aber er kennt seine Heimat in- und auswendig. Und er weiß von dem Gold. Es muss Ostvel sein, Rohan.«
    »Genau«, stimmte er zu. Er war erleichtert, dass sie beide nicht mehr einsam waren. Doch dann übermannte eine entsetzliche Müdigkeit alle anderen Gefühle. »Sioned, ich denke immer, wenn ich das getan hätte, was ich gleich hätte tun sollen –«
    »Masul töten? Bist du sehr entsetzt, wenn ich dir beipflichte?« Sie lächelte ihn unfroh an. »Aber dann

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