Mondlaeufer
Sioned, Tobin und Chay über genau dieses Thema hinter sich. Natürlich hatten sie ihm alle widersprochen. Und zum ersten Mal, seit sie ihn kannten, hatte er gebrüllt, dass es seine Entscheidung und sein Wille sei und dass sie der Anweisung des Hoheprinzen zu gehorchen hätten. Verstört, verletzt und wütend war Tobin aus dem Pavillon gerauscht. Chay war ihr nach einem einzigen beredten Blick gefolgt. Sioned war sprachlos angesichts des Verrats und hatte sich geweigert, ihn auch nur anzusehen. Sie war nur hier, weil Rohan ihr befohlen hatte, seinem Gespräch mit Lleyn und Chadric beizuwohnen. Er hasste sich selbst, weil er ihr nicht die Wahrheit gesagt hatte, doch er brachte es einfach nicht über sich.
Was Firon anging, da hatte er keine Wahl. Da Pandsala für den Mord an Prinz Ajit verantwortlich war, war es für ihn unmöglich, das Prinzenreich anzunehmen. Er konnte den Toten zwar nicht wieder lebendig machen, doch er konnte es ablehnen, aus diesem Verbrechen Gewinn zu ziehen. Ein kleiner Trost angesichts der vielen anderen Verbrechen, aus denen er unwissentlich so viele Vorteile gezogen hatte.
»Pol kann Firon nicht annehmen«, wiederholte er.
»Warum?«, fragte Lleyn. »Glaubt Ihr, ein Übermaß an Macht wäre gefährlich? Oder fürchtet Ihr etwa, dass Andrade heute Abend keinen ausreichenden Beweis erbringt?«
Die Antwort kam von Sioned. Ihre leise, ruhige Stimme erschreckte Rohan. »Es geht hier darum, was andere für ein Übermaß an Macht halten, Herr. Ihr und Lord Chadric, Ihr hattet meinen Sohn in Pflege. Ihr kennt ihn. Glaubt Ihr, er würde je die Macht missbrauchen, die er besitzt?«
»Natürlich nicht!«, rief Chadric aus. »Ehre ist so sehr ein Teil von ihm wie das Blut in seinen Adern. Aber das ist nicht unser Verdienst, Herrin.«
»Wir können es uns beiden zugutehalten, wenn Ihr erlaubt«, erwiderte sie leise und sah mit einem schwachen Lächeln auf. »Doch so sehr wir ihn auch kennen und ihm vertrauen, andere werden es sicher nicht. Oder zumindest würden sie es nicht wollen. Er bekommt die Wüste und die Prinzenmark. Das reicht.«
Lleyn sah noch immer Rohan in die Augen. »Ich habe Euch nie als jemanden kennengelernt, der aufgrund von eingebildeten Ängsten oder Drohungen handelt.«
»Und doch haben wir alle unsere geheimen Ängste«, antwortete Rohan. »Volog fürchtet für seinen Enkel, dass die Einheit von Kierst und Isel möglicherweise nicht einfach wird. Davvi fürchtet, dass Tilal sich mit seiner Heirat mit Gemma, die ihm den Thron von Ossetia einbringt, gleichzeitig seinen Bruder zum Gegner macht, wenn der einmal Syr erbt. Ihr fürchtet, in Angelegenheiten des Kontinents verwickelt zu werden. Wir alle haben Angst, Herr. Und es gibt nur wenige unter uns, die uns einige unserer Ängste aus der Welt schaffen können.
Ihr könntet sagen, dass ich um meinen Sohn fürchte, und Ihr hättet recht. Er wird genug zu tragen haben: die Wüste, die Prinzenmark, den Titel des Hoheprinzen und seine LichtläuferGaben. Ist es von meiner Seite Feigheit oder Vorsicht, eine mögliche Quelle von Zwietracht zu beseitigen, die nicht nur seine Macht, sondern sogar sein Leben gefährden könnte?«
»Und Ihr hofft, dass Euch dies gelingt, indem Ihr meinen Enkel benutzt?«
»Ja«, sagte Rohan einfach.
Lleyn hob den Kopf und starrte Chadric an, dessen Verwunderung inzwischen Sorge gewichen war. »Wäre Laric dazu fähig?«, fragte der alte Mann.
»Ich weiß es nicht.«
»Los, keine falsche Bescheidenheit! Könnte er Firon regieren?«
Sioned lehnte sich in ihrem Stuhl etwas vor. »Meine Herren, wichtig ist, ob er dort glücklich sein würde. Ich stimme zwar zu, dass es für alle anderen am besten wäre, wenn Laric als Prinz nach Firon ginge, doch wenn es nicht das Beste für Laric selbst ist, dann bin ich dagegen.«
Rohan warf ihr einen zornigen Blick zu, den sie aber nicht beachtete.
»Euer Herz entspricht Eurer Schönheit, meine Liebe«, sagte Lleyn. Dann schüttelte er seufzend den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich glaube, ich habe schon zu lange gelebt.«
»Es tut mir leid, dass ich Euch damit jetzt belaste«, sagte Rohan. »Doch es muss sein, Herr. Glaubt mir.«
»Das weiß ich ja.« Lleyn straffte seine gebrechlichen Schultern und sagte gefasst: »Wenn ich einen Lichtläufer bekomme, über den ich heute Abend mit Eolie in Graypearl sprechen kann, können wir den Jungen wählen lassen. Doch es wird seine Wahl sein, Rohan, nicht meine oder die seines Vaters. Ohne unbescheiden zu sein: Ich
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