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Mondlaeufer

Mondlaeufer

Titel: Mondlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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Feldern und wirbelten zu einer Windhose von der Größe eines kleinen Drachen zusammen. Durch die Staubmassen sah er, dass sich die Pferde in Panik aufbäumten und dass die Männer versuchten, ihre Tiere zu bändigen.
    Jal fluchte erstaunt. Revia schoss weiter ihre Pfeile ab, lachte jedoch jetzt, da ihr Ziel näher rückte und sie keinen zweiten Ansturm mehr zu befürchten hatten. Ein Mann ging schreiend zu Boden, als ein Pfeil sich in seine Wange bohrte. Ein anderer jedoch spornte wütend seinen Hengst an und stürmte weiter, obwohl ihn Jal in den Oberschenkel traf. Er setzte sich auf und warf ein Messer.
    Meath stöhnte auf, als er an der Schulter getroffen wurde. Durch den Schock der Verwundung verlor er die Kontrolle über seinen Wirbelsturm. Die Verletzung war doch gar nicht so schlimm, versuchte er sich zu sagen; es steckte nur ein Wurfdolch in seiner Schulter, also weder in der Lunge noch im Herzen. Er tastete nach dem Griff und zog das Stahlmesser mit großer Anstrengung heraus. Es kam ihm vor, als fiele er sehr langsam und als würden seine Knochen zu Wasser. Zahllose Farben zersplitterten um ihn herum; die Schattierungen der Bäume und Blumen, der Wiese und des Himmels verwandelten sich in buntes fironesisches Glas, verloren an Tiefe und zersprangen schließlich wie farbige Gläser mit einem schrecklichen Geräusch in viele scharfe Scherben. Die weichen Halme des Frühlingsgrases waren zu kristallenen Klingen geworden, als er auf sie stürzte. Dann waren alle Farben verschwunden.
    Sioned hielt den Atem an angesichts der Dringlichkeit von Meaths Gewebe und noch einmal, als es jäh verschwand. »Maarken! Hilf mir, ihn zu finden! Schnell!«
    Er folgte ihr über die gewebten Lichtstrahlen und suchte das vertraute Muster von Meath. Doch er war nicht so geübt wie Sioned und fand nur die Farben, konnte Meath aber nicht sehen. Sioned jedoch sah alles: wie Meath die Luft beschwor und wie er von dem scharfen, glitzernden Messer getroffen wurde. Sie sah ihren Freund fallen und stieß einen halb schluchzenden, halb zornigen Laut aus.
    Die gegnerischen Reiter sammelten sich, als sich der Sturm plötzlich auflöste. Sie stürmten auf die beiden Soldaten aus Radzyn und auf den Lichtläufer los, der ungedeckt im Gras lag. Sioned wusste, dass sie die drei töten würden. Sie traf keine bewusste Entscheidung; sie tat, was notwendig war. Mit der Unbarmherzigkeit der Not griff sie nach jedem Menschen mit den Faradhi -Gaben, der sich in der Umgebung aufhielt, wand alle Farben zusammen: helle, seidene Lichtfäden in den Händen einer meisterlichen Weberin. Sie wob das Sonnenlicht, wie sie einst den Sternenglanz zusammengesponnen hatte, und richtete seinen Schein direkt auf den Weg vor den Mördern.
    Lichtläufer-Feuer loderte auf, eine dicke, tödliche Flammenwand. Die Angreifer ritten mitten hinein, denn es war zu spät, die Pferde zu zügeln. Sioned konnte weder ihre Schreie noch ihren dumpfen Aufprall hören, doch sie sah, wie das Feuer nach ihren Kleidern griff, als sie sich am Boden wälzten und die Flammen zu ersticken suchten.
    Die Frau in den Farben von Radzyn sprang aus dem Sattel und hievte Meaths großen, kantigen Körper hoch, so gut es ging. Ihr Begleiter half ihr sofort, warf jedoch ängstliche Blicke über die Schulter auf das Feuer. Meath wurde über seinen Sattel gelegt, und Augenblicke später ritten sie auf die schützenden Bäume zu. Als die drei außer Sicht waren, ließ Sioned das Feuer erlöschen. Es hinterließ eine Narbe, die sich quer über das Feld zog, schwarze Asche, die wie eine abschreckende Grenzlinie vor den Feinden lag.
    Sie hatten nicht vor, diese zu überqueren. Staub erhob sich so hoch wie Meaths Windhose, als sie eilends die Pferde bestiegen, die sie noch ergreifen konnten, und davongaloppierten. Ihre Verwundeten überließen sie sich selbst.
    Sioned wartete, bis sie fort waren, und benutzte dann alle ihre Kräfte, um das fest gesponnene Farbenband wieder aufzulösen. Drüben in Stronghold zitterte Tobin im Sonnenlicht, das durch das Schlafzimmerfenster fiel, und Chay schüttelte verzweifelt ihre Schultern und rief ihren Namen, bis sie endlich wieder zu sich kam. Neben dem Wachhaus hielt Myrdal Pol im sonnenbeschienenen, äußeren Hof in den Armen und spürte, wie der Junge unter einem Ansturm der Macht zitterte. Sie hatte gesehen, dass die Höchste Prinzessin Feuer und andere Elemente beschwören konnte, doch mit Pol geschah etwas anderes. Schließlich zuckte er krampfartig zusammen, kam

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