Mondscheinzauber - Jones, C: Mondscheinzauber - Moonshine
Abends, oder – noch schlimmer – amüsierte sich bereits mit ihr, nur wenige Meter entfernt, auf seine spezielle, ganz persönliche Art und Weise.
Cleo seufzte.
Am vergangenen Abend hatte Dylan sich, sobald seine Kleider trocken waren, schicklich im Bad umgezogen, die Biskuitrolle vertilgt und noch jede Menge Kaffee, ihr geholfen, die Brillante Gala-Zwetschge abzufüllen und all das Weinherstellungszubehör aufzuräumen und dann mit einem Lächeln ihren Wohnwagen verlassen und gesagt, er hätte sich so gut amüsiert wie noch nie, und sie sähen sich nächstes Wochenende wieder, früher würde er es nicht schaffen.
»Ich werde die ganze kommende Woche unterwegs sein. Und wie du weißt, verbinde ich Mortimers Lieferungen immer gern mit einigen außerplanmäßigen Aktivitäten.«
Er hatte gewinkt und ihr einen Kuss zugeblasen, dann war er in der Nacht verschwunden, und ja, sie hatte genau gewusst, was mit Außerplanmäßigem gemeint war. Und jetzt hatte er heute Abend ein heißes Date mit einer Frau mit dem unmöglichen Namen Jessamine, und verflixt noch eins, es war ihr nicht egal.
Tja, aber eines stand fest: Das würde sie ihn niemals wissen lassen.
Den Blick noch immer auf Dylans Zuhause gerichtet, zählte Cleo die Fenster – sechs auf einer Seite, was bedeutete, die Wohnung war ziemlich groß. Etwa dreimal so groß wie ihr Wohnwagen. Also kein winziges Heubodenkämmerchen für Dylan. Mortimer war offenbar ein wohlwollender Arbeitgeber. Und das heiße Date Jessamine tollte womöglich gerade nackt durch alle Räume, während sie selbst wie ein hungriges Straßenkind mit sehnsüchtigem Blick hier draußen stand.
Nein, sie schüttelte den Kopf. Da Straßenkinder sinngemäß erbärmlich dünn und verwahrlost waren, sie selbst hingegen alles andere, verwarf Cleo diesen Vergleich auf der Stelle wieder. Trotzdem war es sehr bitter, so nah zu sein und doch so fern …
Entgegen aller Wahrscheinlichkeit hoffte Cleo seufzend, Jessamine wäre eine grobschlächtige, pferdegesichtige Frau mit dicken Fesseln und dünnem Haar, verdrängte alle weiteren unanständigen Bilder aus ihrem Kopf und versuchte sich zu konzentrieren und interessiert dreinzuschauen, während Mortimer mit Schlössern und Schlüsseln herumhantierte und diverse Sicherheitsschalter betätigte.
»Sesam öffne dich!« Er grinste breit, als die massiven Eisentore wie von Zauberhand zur Seite glitten und augenblicklich Milliarden von Lichtern in den Stallungen aufflackerten. »Kommen Sie, meine Liebe. Kommen Sie, und sehen Sie sich mein hübsches Jungenspielzeug an.« Cleo, die wusste, dass sie einen Bentley nicht von einem Rolls-Royce würde unterscheiden können, hoffte, das störte nicht, und trat ein.
Sie blinzelte.
Die Stallungen waren im Inneren vollständig entkernt, sodass eine weitläufige Ausstellungsfläche entstanden war. Auf den vielfarbigen Lackierungen der Autos tanzte dank professioneller Beleuchtung und bodentiefer Vorführspiegel das Licht in Funken und Sternchen.
»Lieber Himmel«, hauchte sie.
Diese Wagen waren keine gewöhnlichen teuren Nobelkarossen. Es waren keine einfachen Limousinen, sondern fauchende, schnittige, beängstigend kraftvolle Superautos. Lang und niedrig, nahezu unmöglich futuristisch, duckten sie sich in die Stallungen wie eine Horde Fabelwesen, die nur darauf warteten, brüllend, springend und sich aufbäumend zu kraftvollem Leben zu erwachen.
»Herrlich, nicht wahr?«, sagte Mortimer und strahlte in väterlichem Stolz, als würde er einem Kaufinteressenten einen besonders wohlgeratenen Wurf Rassekatzen vorführen. »Das hatten Sie nicht erwartet, stimmt’s?«
»Nein, das hatte ich allerdings nicht erwartet«, gestand Cleo ein. »Die sind ja, äh, sensationell. Und ich fürchte, ich kenne kein einziges von diesen Modellen.«
»Das überrascht mich nicht, meine Liebe. Einige davon sind echte Raritäten. Natürlich haben wir viele Kunden, die Klassiker suchen – einen Rolls Phantom Coupé oder einen Bentley Continental –, hauptsächlich ehemalige Bankiers, die sich noch vor der Finanzkrise mit ungekürzten Boni zur Ruhe gesetzt haben. Aber das hier sind Autos, wie junge Leute sie sich wünschen.«
Offenbar hocherfreut, einen Neuling als gebannten Zuhörer zu haben, geleitete Mortimer Cleo durch die dicht geschlossenen metallischen Reihen, sprach über Drehkraftmomente und Servolenkungen und deklamierte mit väterlichem Stolz die Namen seiner Lieblinge: Aston Martin V8 Vantage Roadster, Ferrari Scuderia
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