Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
MondSilberLicht

MondSilberLicht

Titel: MondSilberLicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marah Woolf
Vom Netzwerk:
liegengelassen hatte.
„Wer die Nachtigall stört. Gefällt es dir?“
„Ich finde es gut. Kennst du es?“ fragte ich.
„Hm. Es ist eine Weile her, dass ich es gelesen habe. Ich fand es ziemlich gut.“
„Was genau?“
„Dieser Atticus ist ein mutiger Mann. Er wehrt sich, weil er das Unrecht nicht dulden will, obwohl so viele anders darüber denken. Ich glaube, er wusste von Anfang an, dass er nicht gewinnen konnte. Dass er keine Chance hatte.“
Calum sah versonnen in die Ferne. Möwen kreisten über dem Meer und obwohl sie nur als kleine Punkte auszumachen waren, drang ihr Kreischen in der klaren Luft bis zu uns.
„Glaubst du, er hat es nicht wenigstens gehofft?“
„Gehofft vielleicht schon, aber ich glaube, er wollte es versuchen, um seinen Kindern zu zeigen, dass man für seine Überzeugung kämpfen muss, auch wenn es so gut wie ausgeschlossen ist, etwas zu verändern.“
„Es war trotzdem ein Anfang, meinst du nicht?“
„Ja vielleicht, aber auch heute könnte so etwas noch überall passieren. Es gibt immer Menschen, die über andere richten, nur weil diese anders und fremd sind.“
Bildete ich mir das nur ein oder klang seine Stimme bei diesen Worten verbittert?
„Lass uns ein bisschen laufen“, bat ich ihn.
„Fühlst du dich dafür kräftig genug?“ Skeptisch blickte er mich an.
„Ich glaub schon. Und zur Not kannst du mich ja  zurücktragen“, erwiderte ich spöttisch.
„Das würde ich sogar gern tun.“
Prompt röteten sich meine Wangen und verlegen wich ich seinem Blick aus.
Nach unserem Spaziergang, den ich ausgesprochen gut überstand, gingen wir zu Bree in die Küche. Nach der letzten Woche, in der ich mich hauptsächlich von Brühe ernährt hatte, verspürte ich auf einmal riesigen Appetit.
Ich stürzte mich ausgehungert auf den Schokoladenkuchen, den sie gebacken hatte, und trank dazu eine große Tasse heißer Schokolade.
„Iss langsam.“ Calum schüttelte den Kopf. „Dir wird übel werden“, warnte er mich.
Peter gesellte sich zu uns und ich musste einsehen, dass ich Calum den Rest des Nachmittags mit ihm würde teilen müssen. Nach dem Abendessen brachte ich ihn zur Tür.
Jedes Mal, wenn ich mich von ihm verabschieden musste, fiel es mir schwerer, ihn gehen zu lassen.
Er gab mir einen Kuss auf die Wange.
„Schlaf gut“, flüsterte er in mein Ohr.
Es dauerte noch zwei Wochen, bis ich mich gesund genug fühlte, um wieder zur Schule zu gehen. Am meisten freute ich mich auf die Stunden mit Calum auf der kleinen Lichtung und darauf, mit ihm allein zu sein.
 

10. Kapitel

Calum begleitete mich nach unserem Gitarrenunterricht immer zum Haus zurück. Das ganze Wochenende, nein, ab Montagabend sehnte ich diese Stunden herbei. Wir spielten gemeinsam Gitarre und manchmal nahm ich meine Zeichensachen mit, die Peter zum Glück wiedergefunden hatte, und malte den See oder ihn.
Ständig fragte er mich, was ich über dies oder jenes dachte, was ich las, welche Musik ich gern hörte, was mir besondere Freude machte. Sein Interesse war unerschöpflich. Am meisten schien ihn zu interessieren, was ich vorhatte, wenn ich die Schule beendet hatte. Diese Frage konnte ich ihm allerdings nicht beantworten, da ich mir darüber im Moment keine Gedanken machte. Mein Bedarf an Veränderungen war für lange Zeit gedeckt. Ich wollte nicht darüber nachdenken, wieder woanders zu leben und andere Menschen kennenzulernen. Mich  interessierte viel mehr, was er vorhatte, da er ein Jahr früher als ich die Schule beenden würde. Würde er fortgehen? Die Insel ohne ihn war schwer vorstellbar. Aber von sich gab er kaum etwas preis, so geschickt ich ihn auszufragen versuchte. Er schüttelte immer nur lächelnd den Kopf.
Doch etwas hatte sich verändert. Calum war viel distanzierter als vor meiner Krankheit. Er war nicht abweisend, aber ich spürte genau, dass er körperliche Nähe nicht mehr zulassen wollte. Ich traute mich nicht, ihn darauf anzusprechen. Aber es verunsicherte mich zusehends. Ich versuchte, es mir nicht anmerken zu lassen, war aber nicht sicher, ob mir das gelang. Was sollte ich davon halten?
Manchmal wenn wir im Gras saßen, wurde die Versuchung, meine Hand nach seiner auszustrecken, fast übermächtig. Doch ich traute mich nicht. Einmal hatte ich es versucht, aber er hatte seine Hand fortgezogen. Das war nicht auszuhalten, ich musste mit ihm darüber reden. Aber wie sollte ich anfangen? Ich wusste ja nicht, was ich falsch gemacht hatte. Hatte ich  mir nur eingebildet, dass er mich genauso

Weitere Kostenlose Bücher