Mondspiel: Novelle (German Edition)
sicher.Wenn es ein Misserfolg wird …«
»Es wird kein Misserfolg werden«, sagte Jessica. »Wir machen hier sauber. Du solltest jetzt besser gehen.«
»Danke, Jess.« Er beugte sich hinunter und drückte ihr einen Kuss aufs Haar. »Ich bin froh, dass ihr alle hier seid.«
Sobald sie allein waren, grinste Trevor sie an. »Du wirst andauernd geküsst, Jess. Als du dich mit meinem Dad … äh … unterhalten hast, dachte ich tatsächlich ein paar Minuten lang, ich bekäme vielleicht sogar meine erste Lektion in Sexualkunde.« Er rannte schleunigst los, als
Jessica mit einem Geschirrtuch nach ihm ausholte. Sein spöttisches Lachen kam die Treppe heruntergeweht.
5
Auf halber Höhe der Treppe verlangsamte Jessica ihre Schritte, und das Lächeln auf ihrem Gesicht verschwand. Sie nahm den Geruch dieser ganz speziellen Räucherstäbchen wahr, einen Geruch, den sie niemals vergessen würde. Zedernholz und Alaun. Sie atmete tief ein und wusste, dass ein Irrtum ausgeschlossen war. Der Gestank drang aus ihrem Zimmer und kroch durch den Spalt unter der Tür in den Flur hinaus. Jessica blieb einen Moment stehen und spürte, wie sich die Gereiztheit wieder einschlich, die sich immer einzustellen schien, sobald sie allein war, ein warnendes Flimmern in ihrem Gehirn, das eine innere Unruhe in ihrer Magengrube zurückließ.
»Jess?« Trevor stand am oberen Ende der Treppe und sah sie verwirrt an. »Was ist los?«
Sie schüttelte den Kopf, als sie an ihm vorbeiging und vor ihrer Zimmertür stehen blieb. Mit größter Behutsamkeit stieß sie die Tür auf. Eiskalte Luft strömte ihr entgegen und trug den penetranten Gestank der Räucherstäbchen mit sich. Jessica stand regungslos da, und ihr Blick richtete sich sofort auf das Fenster. Die Vorhänge flatterten in der Brise wie hauchzarte weiße Geister. Einen Moment lang hing Dunst dort, ein dichter weißer Nebel, der den Raum durchdrang. Als sie blinzelte, löste
er sich auf oder verband sich mit dem dichten Nebel draußen.
»Es ist eiskalt hier. Warum hast du das Fenster aufgemacht? « Trevor eilte durch das Zimmer und schlug das Fenster zu. »Was ist das für ein ekelhafter Geruch?«
Jessica stand immer noch regungslos in der Tür, doch als sie sah, dass er zusammenzuckte, wurde sie schlagartig aktiv und eilte an seine Seite. »Trev?«
»Was ist das?« Trevor deutete auf das Symbol auf dem Bettvorleger.
Jessica holte tief Luft. »Manche Menschen glauben, sie könnten durch gewisse Zeremonien Geister um Beistand anflehen, Trevor. Was du vor dir siehst, ist ein plumper magischer Kreis.« Gebannt starrte sie die beiden Kreise an, einer innerhalb des anderen. Sie bestanden aus der Asche mehrerer Räucherstäbchen.
»Was hat das zu bedeuten?«
»Im Moment noch gar nichts, weil sich nichts darin befindet.« Jessica kaute auf ihrer Unterlippe. Zwei Kreise hatten keinerlei Bedeutung. Sie waren einfach nur ein Ausgangspunkt. »Manche Menschen glauben, ohne einen geweihten magischen Kreis könnte man keinen Kontakt zu Geistern aufnehmen. Die Symbole zur Anrufung des Geistes müssten sich darin befinden.« Sie seufzte leise. »Wir sollten uns vorsichtshalber Taras Zimmer und dann deines vornehmen.«
»Du zitterst«, sagte Trevor.
»Ach ja?« Jessica rieb sich die Arme. Sie war entschlossen, nicht zu schreien. »Das muss wohl an der Kälte liegen. « Sie wollte zu Dillon laufen, damit er sie in die Arme nahm und tröstete, doch sie wusste, dass er jedes einzelne Bandmitglied aus dem Haus werfen würde, wenn er dieses
Symbol sah. Und dann würde er nie mehr versuchen, Musik zu machen.
»Ich will Dad holen«, sagte Trevor, als sie Taras Zimmer betraten. »Mir gefällt das überhaupt nicht.«
Jessica schüttelte den Kopf. »Mir auch nicht, aber wir können es deinem Vater noch nicht sagen. Du kennst ihn nicht so gut wie ich. Er besitzt ein unglaubliches Verantwortungsbewusstsein. Hör auf, den Kopf zu schütteln, es ist wahr. Er hat euch nicht alleingelassen, weil er euch nicht geliebt hat, sondern weil er der Meinung war, es sei das Beste für euch.«
»Blödsinn!« Trevor überzeugte sich davon, dass das Fenster verriegelt war und niemand die Sachen seiner Schwester in Unordnung gebracht hatte. »Wie konnte er es für richtig halten, fortzugehen, Jessie?«
»Nach dem Brand hat er ein Jahr im Krankenhaus verbracht und dann ist er mehr als ein Jahr lang physiotherapeutisch behandelt worden. Du machst dir keine Vorstellung davon, wie schmerzhaft es ist, von Verbrennungen wie
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