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Moni träumt vom großen Glück

Moni träumt vom großen Glück

Titel: Moni träumt vom großen Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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gebe dir mein Ehrenwort: Ich sage es keinem Menschen. Sprichst du dann?“
    Sie guckte mich wieder an, und ihre Augen waren verzweifelt.
    „Wirklich, Moni? Ehrenwort?“
    „Ja, Jutta, Ehrenwort. – Ich kann viel Unsinn machen, aber eines tue ich nie: Ich habe nie ein Ehrenwort gebrochen.“
    „Ja, dann… dann…“ Ich stand auf. „Komm, Jutta, komm mit mir nach Haus. Ich bin ganz allein. Wir brauchen nicht hier auf dieser nassen Bank zu sitzen.“
    Sie kam mit. Zu Hause machte ich vor allem eine Tasse warmen Tee, danach erholte sie sich ein bißchen. Dann erzählte sie.
    Es war der Bruder. Er war an diesem Tag ganz verstört vom Geschäft gekommen, und in seiner Verzweiflung hatte er sich der Schwester anvertraut. Er hatte einen Fehlbetrag in der Kasse. Längere Zeit hatte er manipuliert – wie er sich ausgedrückt hatte – und hatte schon eine ganz schöne Unterbilanz aufgearbeitet. Jetzt war es aus – am Montag sollte der Revisor kommen. Alles würde aufgedeckt werden und er ganz bestimmt ins Gefängnis kommen.
    „Jutta“, sagte ich. „Ist es denn… ist es denn so viel? Meinst du… meinst du, man läßt ihn nicht mit einer Verwarnung davonkommen?“ Jutta schüttelte den Kopf.
    „Du weißt doch, wie Walter ist. Du weißt doch, wie wenig beliebt er ist. Zu Hause ist er ganz anders, aber das kannst du nicht wissen. Das können fremde Menschen nicht wissen. Da gibt’s Leute genug, die nur ihre Freude daran hätten, daß er einen kräftigen Denkzettel bekäme. Verstehen kann ich das natürlich auch, aber es ist so schrecklich…. es ist so schrecklich für Mutti.“
    „Jutta, um wieviel handelt es sich denn?“ fragte ich ganz leise.
    „Schrecklich viel, Moni, nach meinen Begriffen schrecklich viel, beinahe tausend Mark, oder genau gesagt neunhundertachtzig Mark, meinte Walter.“
    „Aber Jutta, er muß doch irgendwie ein Darlehen kriegen können. Er muß sein Moped verkaufen können.“
    „I wo, wieviel, denkst du, wird das alte Ding einbringen? Höchstens zweihundert Mark, und außerdem… dazu braucht man Zeit. Man verkauft nicht ein Moped in drei Minuten. Mopeds sind jetzt überhaupt nicht gefragt. Und sonst Geld borgen? Wer, glaubst du, borgt Walter Geld? Und noch etwas: Unser Städtchen ist ein Klatschnest, das weißt du. Wenn er sich an irgendeinen reichen Mann wenden würde, und dieser Mann ,nein’ sagte – das täte er höchstwahrscheinlich – , dann hätte er keine Schweigepflicht. Vielleicht würde die ganze Stadt es am nächsten Morgen wissen. Mutti bekäme es auch zu wissen. Alle Menschen bekämen es zu wissen. Nein, das kann er nicht machen.“
    „Ja, aber was dann? Was soll er dann machen?“
    „Nun, das frage ich mich ja auch. Selber wußte er keinen Ausweg. Er war ganz verstört, Moni. Und wenn ich an Mutti denke, o Gott, wenn ich an Mutti denke…“
    Plötzlich sah sie auf die Uhr und sprang hoch. „Mensch, es ist ja schon spät. Ich muß schnell nach Haus. Mutti weiß nicht, wo ich bin. Ich habe gesagt, ich hätte Köpfschmerzen und wollte ein bißchen an die Luft. Ich danke dir, Moni, daß du mich angehört hast, und du sagst es niemandem…“
    „Ich habe dir mein Ehrenwort gegeben, Jutta. Dann Wiedersehen. Ich hoffe alles Gute für euch.“
    In der Nacht konnte ich nicht schlafen.
    Neunhundertachtzig Mark. Neunhundertachtzig Mark konnten Walter retten, den widerlichen, abscheulichen Walter, den ich beinahe haßte. Neunhundertachtzig Mark konnten seine Mutter schonen, konnten es verhindern, daß die arme Frau Brander diese Schande über sich ergehen lassen mußte, daß sie als Resultat ihrer Mühen sehen mußte, daß der Sohn vielleicht ins Gefängnis wanderte…
    Aber was ging die ganze Sache mich überhaupt an? Ich war kein reicher Mensch – im Gegenteil, ich mußte eisern sparen. Ich mußte hart arbeiten für mein Geld. Für einen reichen Mann, so wie Melittas Vater z. B. wären tausend Mark ein Pappenstiel; für mich… für mich war es beinahe alles, was ich besaß. Es ging mich nichts an! Es ging mich wirklich nichts an. Natürlich, Frau Brander tat mir leid. Aber wer sollte nun leiden? Wer war die Nächste dazu, zu leiden… die Mutter des Burschen oder ich, die ich gar nichts mit ihm zu tun hatte? War es nicht an der Zeit, daß er endlich die Suppe auslöffeln mußte, die er sicheingebrockt hatte? War es nicht endlich an der Zeit, daß er einen kräftigen Denkzettel bekäme? Natürlich würde es für Frau Brander schlimm sein, aber immerhin, sie würde es schon

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