Monrepos oder die Kaelte der Macht
Gemeinderäten glänzende Augen bereitete. Kulturelle Förderprogramme, die selbst eingefleischte linksintellektuelle Künstler am schwarzen Feindbild irre werden ließen. Ein Technikmuseum für hundertfünfzig Millionen. Neue Wirtschaftsprogramme, an denen sich die gerade erst mit Spechts Hilfe von der Gewerbekapitalsteuer entlasteten Unternehmer delektierten.
War noch jemand ohne? Ja, die Jugend, die einen merkwürdigen Hang zu einer Bewegung zeigte, die sich ›Die Grünen‹ nannte. Bei der ersten Direktwahl zum Europäischen Parlament schafften sie auf Anhieb 4,5 Prozent und gründeten, vom Erfolg beflügelt, im September 1979 eine Landespartei. Die Jugend nahm die Umwelt auf einmal furchtbar ernst und führte Schlagworte wie Landschaftsversiegelung im Mund, von denen bis dahin niemand je gehört hatte.
Bei Schlagworten sind wir unschlagbar, erklärte Tom Wiener und erfand als Gegenbegriff das ›Ökologische Straßenexamen‹, mit dem nichts anderes gemeint war als die seit jeher erfolgte Prüfung, ob ein geplantes Bauvorhaben nötig und finanzierbar sei.
Hohberg, der Finanzminister, ließ sein rollendes Ceterum censeo gegen die um sich greifende Spendierfreudigkeit nur noch selten ertönen. Er war müde geworden und wußte, daß er von der neuen, jungen Riege nur noch bis zum Ende der Legislaturperiode geduldet wurde. Auch machte ihm der plötzliche Tod Dr. Rentschlers, der einen Hirnschlag erlitten hatte, zu schaffen. In ihrer fast schon antiquiert wirkenden Art, das ›C‹ im Parteinamen als moralische Verpflichtung aufzufassen, waren sich Rentschler und Hohberg sehr ähnlich gewesen.
Specht schlug sich mit dem unbequemen Bekenntnisbuchstaben auf andere Weise herum. Im Ringen der christlichen Schwesterparteien um die Nominierung eines gemeinsamen Kanzlerkandidaten hätte er, der Evangelische mit ausgeprägt liberalem Image, eigentlich den protestantischen Parteiflügel und damit seinen niedersächsischen Kollegen Albrecht unterstützen müssen. Wenn er den Norden Deutschlands bereiste, spielte er denn auch gerne das fröhlich-pragmatische Weltkind in der Mitte. Doch Specht mochte den glatten, kühlen Ex-Keksmanager Albrecht nicht. Er witterte in ihm einen Konkurrenten, dessen wirtschaftliche Kompetenz dasselbe innerparteiliche Spektrum abdeckte wie er selbst. Und überdies imponierte ihm der Bayer Strauß mächtig, und er setzte alles daran, möglichst häufiger Begegnungen mit dem ungekrönten Alpenkönig teilhaftig zu werden.
Bis andere Grüß Gott gesagt haben, hat Franz Josef schon begriffen, worum es geht, teilte er Wiener und Gundelach ehrfürchtig mit.
Schließlich war da noch, worauf Tom Wiener schon Dr. Gerstäcker hingewiesen hatte, die katholische Klientel in den Hochburgen der Landespartei, deren wachsendes Wohlwollen für Specht nicht durch eine geographisch und konfessionell verwerfliche Parteinahme gefährdet werden durfte. Solange Breisinger noch Landesvorsitzender der rund neunzigtausend Parteichristen gewesen war, brauchte Oskar Specht den Zwiespalt, in dem er steckte, nicht aufzudecken. Er konnte – was ihm bei kontroversen Diskussionen, deren Ausgang er nicht exakt einzuschätzen wußte, sowieso das liebste war – ein lockeres Sowohl-als-auch-Gefühl vermitteln und augenzwinkernd auf seine Unzuständigkeit bei der Kür von Kanzlerkandidaten verweisen.
Nach Breisingers Rücktritt war es indes vorbei mit unverbindlichen Spielereien. In Sachen Strauß kontra Kohl und Albrecht mußte Specht Farbe bekennen. Er legte sich auf Strauß fest, nachdem auch die Landesgruppe der CDU-Bundestagsabgeordneten in einer Probeabstimmung mehrheitlich für den CSU-Vorsitzenden votiert hatte.
Anfang Juli nominierten die Unionsparteien Kohls Gegenspieler zu ihrem bundespolitischen Hoffnungsträger. Wenige Tage später kürten die Delegierten eines Sonderparteitages mit neunzig Prozent der Stimmen Ministerpräsident Specht zum neuen Landesvorsitzenden der CDU.
Rudolf Breisinger wurde das Altenteil mit dem obligaten Ehrenvorsitz versüßt.
Bernhard Gundelach verfolgte das Parteigeschehen ohne größere Anteilnahme. Für den Sonderparteitag schrieb er die fällige programmatische Rede und fertigte, um sich lästige Rückfragen Willi Pörthners zu ersparen, auf CDU-Kopfbogen gleich noch die zugehörige Pressemitteilung. Im übrigen wahrte er Distanz.
Er hatte genug um die Ohren. Heike stand kurz vor der Niederkunft. Sie war nun auf anrührende Art hilfebedürftig, und er empfand sich in ärgerlichem
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