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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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Sache sich begreifender Selbstschutz gewesen war, verwandelte sich nach dem Bremer Waterloo in persönliche Entfremdung. Der Oskar Specht, dem er nun als Sprecher und Planungschef zur Seite stand, interessierte ihn nicht mehr so sonderlich. Er war ein Politiker, wie es viele gab. Dafür lohnte es nicht, sich über die Maßen aufzuopfern.
    Specht merkte die Veränderung, die sich in Gundelach vollzog, bald. Zunächst begegnete er der ungewohnten Aufsässigkeit, die es mitunter auf Konfrontation geradezu angelegt zu haben schien, duldsamer, als es seinem Naturell entsprach. Das war wohl seine Art, um etwas zu bitten. Als er jedoch keine Resonanz darauf spürte, schaltete er schnell um. Immer stärker stützte er sich auf Gundelachs jungen Stellvertreter Raible, dessen Begeisterungsfähigkeit ihn an einstige, hoffnungsvollere Lebensabschnitte erinnern mochte. Öfter als früher bestritt er selbst wieder Pressekonferenzen und kritischer als in zurückliegender Zeit beurteilte er, was Gundelach sprach und tat. Ein Graben begann sich zu öffnen, über den keine Brücke hinreichenden Zutrauens mehr führte.
    Gundelach wußte, daß er sich fortan keine Blöße geben durfte. Von Hamburg bis München suchte er die Zentralredaktionen großer Tageszeitungen und Wochenzeitschriften auf, um in Hintergrundgesprächen für Spechts Entscheidung, nicht gegen den Kanzler aufzustehen, zu werben. Mit dem Büroleiter der Bonner Spiegel-Redaktion traf er sich unter beinahe konspirativen Umständen auf dem Flughafen Köln-Bonn und lotete die Chancen einer allmählichen Wiederannäherung aus. Vom Bundeskanzleramt bekam er den Hinweis, daß eine Kohl-Biografie in Vorbereitung sei, in der Spechts Rolle als kleinmütiger Revoluzzer vernichtend dargestellt werde. Er arrangierte eine Unterredung mit dem Autor und erreichte, daß der Ministerpräsident nicht als Täter, sondern als mißbrauchtes Opfer eines Zwergenaufstands charakterisiert wurde.
    Trotzdem machte er sich keine Illusionen. Oskar Specht sann auf Möglichkeiten, den unbequem Gewordenen in und irgendwann vor die Schranken zu weisen. Kalterer telefonierte lustvoll mit Journalisten und streute ›vertraulich‹, der Chef suche nach einer neuen Verwendung für den Regierungssprecher, dessen Loyalität zu wünschen übrig lasse.
    Ein Katz- und Mausspiel begann, das Gundelach zwar wenig Freude bereitete, in gewisser Weise aber doch befriedigte. Seine Position war zu stark, als daß Specht sich des ungebärdigen Begleiters mit einem Federstrich hätte entledigen können. Pressestelle und Grundsatzabteilung standen hinter ihm, an der Sacharbeit und am Informationsfluß gab es nicht viel auszusetzen. Und einen Eklat hätten die Journalisten als Beweis gewertet, daß sich in Spechts Hofstaat Auflösungstendenzen zeigten, was sein Bild weiter ramponiert hätte. Falls er Gundelach loswerden wollte, mußte er sich schon etwas anderes einfallen lassen.
    Ein erster Anlaß bot sich, als Pullendorf, der Regierungspräsident, in die Wüste geschickt wurde. Seiner Eigenmächtigkeiten überdrüssig geworden, hatte ihn der Innenminister schriftlich abgemahnt. Pullendorf verbat sich das öffentlich und verlangte eine Ehrenerklärung, die er nicht bekam; worauf ihm nichts anderes übrig blieb, als um seine Entlassung nachzusuchen, die prompt erfolgte. Nun mußte ein Nachfolger für diesen Posten, der ohne viel Handlungsspielraum zwischen dem Baum kommunaler Selbstverwaltung und der Borke ministerieller Aufsicht klebt, gesucht werden.
    Mehrere Tage mied Specht das Thema, dann fragte er Gundelach beiläufig: Sie wollen doch nicht etwa Regierungspräsident werden?
    Nein, sagte Gundelach. Sie wollen mich doch nicht etwa loswerden?
    Nein, sagte Specht. Ich wollte Sie nur nicht übergehen. Aus demselben Grund hab ich auch Mendel gefragt. Der hat ebenfalls abgelehnt.
    Na, sehen Sie, sagte Gundelach heiter. Und wer wird’s denn nun?
    Ich hab an Zwiesel gedacht. Der war ja schon mal Vizepräsident, und zu uns paßt er doch nicht richtig. Aber als Regierungspräsident kann ich ihn mir gut vorstellen. Vor allem ist es wichtig, daß das Amt nach Pullendorfs Größenwahn wieder auf Normalmaß zurückgeschraubt wird.
    Eine sehr gute Wahl! lobte Gundelach und dachte: Nein, so einfach geht das zwischen uns nicht zu Ende!
    Eine Weile herrschte Waffenstillstand. Dann besann sich Specht auf ein probates Mittel, Gundelachs Freiheitsdrang zu dämpfen, und verabredete mit dem Münchner Verleger von Ferenzcy die Herausgabe

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