Monrepos oder die Kaelte der Macht
eines Buchs über die Notwendigkeit von Eliten.
In der Grünwalder Villa des Medienzaren saß man zusammen, und Gundelach wußte ein ums andere Mal Bedenken vorzutragen. Schließlich einigte man sich darauf, den Kreis der Autoren zu erweitern: Heiner Geißler und der ehemalige Bundesgeschäftsführer der SPD, Peter Glotz, sollten hinzugezogen werden, außerdem renommierte Professoren. So entschwand das Projekt zunächst einmal in nebelhafte Fernen.
Wenig später konfrontierte Specht Gundelach mit der Absicht, ein Buch über die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie schreiben zu wollen, und das Spiel wiederholte sich. Parallel dazu übertrug er ihm die Vorbereitungen fürs vierzigjährige Landesjubiläum. Gundelach erinnerte sich des Weges, den er vor vierzehn Jahren mit klopfendem Herzen angetreten hatte, und tat, was Günter Bertsch und Wolf Müller-Prellwitz auch getan hatten: Er delegierte und stellte einen jungen, hoffnungsvollen Beamten des Regierungspräsidiums für diese Aufgabe ein. Zudem gab er Anweisung, Staatssekretär Dr. Behrens in starkem Maße in die Festlichkeiten mit einzubeziehen. Behrens führte immer mal wieder Klage darüber, als Amtschef in der Öffentlichkeit zu wenig wahrgenommen zu werden; er fühlte sich von der Pressestelle links liegengelassen.
Im Frühjahr ergriff zur Abwechslung Gundelach die Initiative. Die CDU in Heidelberg bat ihn, für die im Herbst stattfindende Oberbürgermeisterwahl zu kandidieren. Eine schwierige, aber nicht ganz aussichtslose Geschichte. Gundelach fand, das könnte eine hübsche Rundung seines Lebensbogens werden: vom Steinewerfer in der Ebert-Anlage zum Rathauschef. Und wenn es ihm nicht gelang, so wollte er zumindest den vom Erfolg nicht eben verwöhnten Parteifreunden in der Neckarstadt ein Wahlergebnis bescheren, das sie erhobenen Hauptes zum Schloßberg aufblicken ließ. Im bürgerlichen Milieu konnte er seinen Amtsbonus ausspielen, und mit linken Studenten zu diskutieren, traute er sich auch immer noch zu. Vierzehn Jahre Monrepos machen kalt, ungeheuer kalt.
Also unterrichtete er den Ministerpräsidenten von seiner Absicht, dem Ansinnen der Heidelberger nachzukommen, und Specht sagte: Ja. Machen Sie das. Ich bin einverstanden.
Ein wenig schnell sagte er es, an der Grenze dessen, was Klugheit und Höflichkeit geboten; aber Gundelach war bereit, darüber hinwegzuhören.
Dann aber schob Specht nach: Wenn Sie verlieren sollten, müssen wir uns natürlich etwas Neues überlegen. Dann können Sie nicht mein Regierungssprecher bleiben, das verstehen Sie sicher. Es wäre eine zu große Hypothek in der Öffentlichkeit. Am besten, Sie gehen dann als Ministerialdirektor nach Bonn und sorgen in unserer Landesvertretung für Ordnung.
Und wieder dachte Gundelach: Nein, so nicht. So geht das zwischen uns nicht zu Ende. Dafür habe ich mich in Bremen nicht an die Seite eines Verlierers gesetzt. In einer politischen Gütergemeinschaft trägt man Hypotheken gemeinsam oder gar nicht. Anderntags teilte er dem konsternierten Heidelberger Parteivorstand seine Absage mit.
Aneinandergekettet, ohne hinreichendes Vertrauen zu einer befreienden Aussprache, die jeder dem anderen als Schwäche ausgelegt hätte, andererseits aber auch ohne Kraft und Konsequenz, ein Zweckbündnis, das in seiner Blütezeit als beispielhaft gegolten hatte, zu lösen – so durchschritten Specht und Gundelach dieses Jahr, das zwölfte ihrer Weggefährtenschaft. Und niemand, auch der Gutwilligste und Nachsichtigste nicht, hätte behaupten mögen, daß es ein gutes und erfolgreiches Jahr gewesen wäre, eins, das dem Land einen Schimmer jener Dynamik und Aufbruchstimmung zurückgegeben hätte, die es in der zurückliegenden Dekade von seiner politischen Führung eingesogen und – manchmal lächelnd, manchmal kopfschüttelnd, doch immer bereit, sich von Visionen anstecken und begeistern zu lassen – in eigene, beherzte Aktivitäten umgemünzt hatte.
Auch wir haben keine Veranlassung, diesem Jahr mehr Aufmerksamkeit zu widmen als ihm gebührt, und so straffen wir, ein letztes Mal aus der chronistischen Distanz heraustretend, seinen Ablauf, indem wir nüchtern feststellen: Specht und die anderen Akteure der Regierung führten ihre Geschäfte – mehr nicht.
Die Reihe letztjähriger Fehlschläge setzte sich fort, denn auch das zweite große Fusionsvorhaben, die Vereinigung der beiden Landessender, platzte. Die Firma McArthur lieferte ein mit Rechenfehlern behaftetes und sofort von allen Seiten
Weitere Kostenlose Bücher