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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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just sein überwältigender Sieg daran hinderte, mit diesem Geschenk so zu verfahren, wie es seinem natürlichen Interesse entsprach.
    Natürlich, sagte der bejahrte Redenschreiber zu seinem aufstrebenden Kollegen und Konkurrenten, müßte Breisinger jetzt das Kabinett komplett auswechseln und verjüngen, bis auf ein oder zwei Ausnahmen vielleicht. Der Kultusminister? Verbraucht, verschlissen im Kampf gegen Oberstufenreform und Studentenschaft. Weg mit ihm. Der Finanzminister? Vorgeführt, düpiert vom eigenen Fraktionsvorsitzenden, ohne Autorität. Der Innenminister? Nur noch als Jägermeister zu gebrauchen. So geht es fort, einer nach dem anderen. Und die Bürger erwarten entschiedenes Handeln, schließlich haben sie die Position des Regierungschefs ungeheuer gestärkt. Was aber wird passieren?
    Ich weiß es nicht, erwiderte Gundelach kauend.
    Passieren wird das genaue Gegenteil, antwortete Dr. Weis mit einer Stimme, die klang, als pflüge ein Schiffskiel durch schwere See. Im Ergebnis wird sich so gut wie gar nichts ändern. Das große Revirement kann nur stattfinden, wenn es Breisinger gelingt, Oskar Specht ins Kabinett einzubinden. Er wird ihm wahlweise das Innen- oder das Finanzministerium anbieten. Specht aber weiß, daß und wozu der MP ihn braucht. Und er weiß auch, weil er zwar ungebildet, aber kein Dummkopf ist, daß er als Minister nur noch wenig Profilierungschancen gegen den Ministerpräsidenten besitzt. Also wird er den Preis für seine Domestizierung so hoch schrauben, daß Breisinger ihn schlechterdings nicht bezahlen kann – es sei denn, er wäre bereit, Specht bereits jetzt mit allen Weihen zum Kronprinzen zu küren. Das wiederum würde ihm als Schwäche ausgelegt, für die, nach diesem Wahlergebnis, kein Mensch Verständnis hätte. Breisingers Stärke ist insoweit seine Schwäche, verstehen Sie?
    Na ja, sagte der Regierungsrat. So ungefähr.
    Wenn Specht aber draußen bleibt, fuhr der andere unerbittlich fort, gibt es für keinen der bisherigen Amtsinhaber einen zwingenden Grund, seinen Stuhl zu räumen. Alle werden Gleichbehandlung verlangen, aus ihrer Sicht zurecht. Die Auswechslung einiger weniger erschiene als Akt der Willkür und der Undankbarkeit. Bleibt als letzte, wenn auch nur theoretische Möglichkeit, daß Breisinger neue Leute beruft und Specht trotzdem nicht berücksichtigt. Dann aber hat er in der Fraktion so viele Altminister als Feinde, daß der Vorsitzende ihn gnadenlos demontieren kann – und es auch tun wird.
    Gundelach fühlte sich unbehaglich. Nichts gegen politische Spekulationen, dachte er, man kann’s aber auch übertreiben. Wie hier aus einem Triumphator, dem gegenwärtig alle Welt zu Füßen liegt, in Nullkommanichts ein gefesselter Gulliver wird, das ist schon atemberaubend. Er erinnerte sich, von jemandem zugetragen bekommen zu haben, daß Weis Zögling einer Jesuitenschule gewesen sei.
    Der enzyklopädische Germanist aber war noch lange nicht fertig. Eine zweite Flasche Bier, die er mit erstaunlicher Behendigkeit vom Tresen geholt und im Gehen entkorkt hatte, spülte weiteres Treibgut seiner analytischen Kunstfertigkeit zutage.
    Kurz und gut, sagte er, Breisinger wird mit seiner Altherrenriege noch eine Weile regieren und sich mit dem Vorsatz trösten müssen, zur Halbzeit der Legislaturperiode in zwei Jahren das nachzuholen, was ihm jetzt verwehrt bleibt. Dann nämlich kann er Specht mit der Aussicht locken, ihn aus eigenem Entschluß zum Nachfolger aufzubauen. Er könnte es aber auch mit einem anderen Prätendenten versuchen, und Spechts Chancen, dies zu verhindern, wären nicht allzu groß. Diese zwei Jahre muß er allerdings unbeschadet überstehen – mit abgetakelten Ministern an der Seite und Parteifreunden im Rücken, die auf jeden Fehler lauern werden. Um das zu schaffen, benötigt er die gesamte Führungsmannschaft um sich, die mit ihm aufgestiegen ist, die ihn kennt und der er vertraut. Müller-Prellwitz, Bertsch, Pullendorf, auch Brendel, sogar Reck von der Bundesratsabteilung. Alle, Renft ausgenommen, müssen an Deck bleiben, damit der Übergang reibungslos vonstatten gehen kann. Und jetzt kommt’s: In diesem Fall läuft der Hase genau anders herum! Die Herren haben mitgeholfen zu siegen, jetzt wollen sie belohnt werden. Staatssekretär, Regierungspräsident, Ministerialdirektor wollen sie werden. Vorsorgen für die Nach-Breisinger-Ära, ihre Karriere selbst in die Hand nehmen, das ist ihr Ziel! Es ist, wohlgemerkt, ein legitimes Ziel, und Breisinger

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