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Monströse Welten 2: Hobbs Land

Monströse Welten 2: Hobbs Land

Titel: Monströse Welten 2: Hobbs Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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den Frauen. Sie sind raffiniert.«
    »Ja«, sagt Sam, denn er begreift, daß der Held ihm soeben eine große Wahrheit offenbart hat. »Ja, das sind sie.«
    »Sie verstehen die Männer nicht. Manchmal behaupten sie zwar das Gegenteil, aber im Grunde verstehen sie die Männer nicht«, sagt Theseus mit ersterbender Stimme. »Sie sehen die Welt mit anderen Augen als wir…«
    Sam nickt beflissen, obwohl er nicht genau weiß, was der Held damit sagen will.
    »Du benötigst einen Schwertgürtel, Sam Girat«, flüstert der Held. »Wenn wir das Schwert finden, brauchst du einen Schwertgürtel.«
    »Geh nicht!« ruft Sam, als er sieht, wie der Held sich allmählich auflöst. Sam streckt die Hand aus und berührt etwas Schwammiges, Irreales.
    »Ich werde wiederkommen«, flüstert der Held. »Später. Halte Ausschau nach mir.«
    Dann ist er verschwunden. Die Sonne geht auf. Das Licht des frühen Morgens greift wie Tentakel durch die schießschartenartigen Fenster und zeichnet sich auf dem Boden des Tempels ab. Sam geht nach draußen und sieht im Osten die purpurne Morgenröte, die unvermittelt dem rosigen Licht des Tages weicht.
    »Ich habe ihn gesehen«, sagt Sam freudig lachend. »Ich habe ihn wirklich gesehen. Ich habe Theseus gesehen!«
    Er führt einen Freudentanz auf und geht beschwingt zum Bruderhaus hinüber, wobei die Frühaufsteher ihn interessiert, erstaunt und vielleicht auch ein wenig ängstlich beobachten, wie er wie ein junger Ziegenbock den Weg entlanghüpft. Im Wohnheim angekommen, kriecht er ins Bett und fällt sofort in einen tiefen Schlaf, während die Welt um ihn herum zu neuem Leben erwacht.
    * * *
    In späteren Jahren erinnert Sam sich, daß er nach jener Episode im Tempel mit der absoluten Gewißheit aufwachte, daß der Held real gewesen war. Noch am selben Tag hatte Sam nach der Vorgabe eines Musters, das er in den Archiven gefunden hatte, einen Schwertgürtel angefertigt. Er bestand aus gepunztem Leder und war mit Halbedelsteinen besetzt. Diese Gemmen waren überall auf Hobbs Land auf dem Grund der Flüsse zu finden. Sam war eigens in den Baumarkt der Zentralverwaltung gefahren, um sich ein Schleifgerät zu kaufen. Mit dieser Arbeit war er indes nicht vertraut, und erst nach etlichen Versuchen war er mit dem Ergebnis zufrieden.
    Dann hängte Sam den Schwertgürtel in den Schrank, hinter die Freizeitkleidung. Später hatte er dann, erneut auf Anraten des Helden, einen Helm mit Goldbeschlägen angefertigt, so daß er angemessen gekleidet war, wenn er das Ding unter dem Stein fand. Er hegte nie den geringsten Zweifel, daß er es oder sie finden würde, oder irgend etwas in der Art. Theseus hatte sich deutlich ausgedrückt. Sam würde nicht nur das Schwert finden, sondern er würde auch Abenteuer erleben, sich so mancher Herausforderung stellen und selbst ein Held werden. Das Schicksal würde ihn seiner eigentlichen Bestimmung zuführen, die indes nicht darin bestand, auf dem öden Hobbs Land ein Dasein als Bauer zu fristen, der sich mit dem Anbau von Getreide und Hülsenfrüchten beschäftigte und die Zucht von zottigen Milchkühen betrieb.
    »Geduld«, ermahnte der Held ihn ein ums andere Mal.
    Obwohl die Jahre ins Land gingen, wirkte Theseus erstaunlich gelassen. »Geduld. Die Zeit wird kommen«, sagte er zu Sam. »Es wird sich zwangsläufig so ergeben. Du mußt bloß den richtigen Zeitpunkt abwarten.«
    Sam war geduldig gewesen. Er war dreißig Jahre alt geworden, einunddreißig, zweiunddreißig, und dann war er Topman geworden. Die Ernennung zum Topman hatte ihm in gewisser Weise geholfen, sich in Geduld zu üben. Denn schon in dieser Position wähnte er sich so königlich und heroisch, nachgerade göttlich, daß ihm das Warten für eine Weile versüßt wurde.
    Und in Voorstod auf Ahabar lebte noch immer sein Vater. Legendenumwittert.
    * * *
    In Voorstod, in der Stadt Wolkenhafen (die oft auch nur Wolke genannt wurde), befand sich an der Kopfsteinpflasterstraße, die vom Marktplatz zum Hügel hinaufführte, wo die Zitadelle der Propheten stand, eine Taverne mit dem Namen Der Aufgehängte König. Das an der Taverne hängende Schild zeigte einen König, der an den Füßen aufgehängt und von Dolchen durchbohrt war. Die Krone saß ihm aber noch fest auf dem Kopf. Die Tatsache, daß das Konterfei des ersten Regenten, König Jimmy, auf dem Schild prangte, war ein Indikator für den Haß, den man in Voorstod der Dynastie von Ahabar entgegenbrachte. Es verging kaum ein Monat, wo nicht ein Zechbruder auf die

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