Montgomery & Stapleton 07 - Die Seuche Gottes
nosokomiale Infektionen waren?«
»Laut Definition kann eine Infektion nur dann als nosokomial bezeichnet werden, wenn der Patient über achtundvierzig Stunden im Krankenhaus gelegen hat.«
»Aber das ist doch nur ein theoretischer Wert. Ich meine, die Patienten könnten doch trotzdem im Krankenhaus infiziert worden sein.«
»Selbstverständlich. Diese Definition dient ja auch eher statistischen als medizinischen Zwecken, aber wenn die Symptome während der ersten vierundzwanzig Stunden eines Krankenhausaufenthalts aufgetreten sind, dann würde ich davon ausgehen, dass der Patient die Keime mitgebracht hat.«
Laurie ließ nun eine genaue Beschreibung ihrer Fallserie folgen, deren Opfer alle innerhalb von vierundzwanzig Stunden an einer MRSA-Infektion gestorben waren. In den Fällen, in denen eine genaue Bestimmung des Bakterienstamms vorgenommen worden war, hatte sie sich als nicht im Krankenhaus erworbene CA-MRSA erwiesen, wodurch sich Silvia in ihrer Überzeugung, dass die Bakterien höchstwahrscheinlich von den Patienten selbst eingeschleppt worden seien, bestätigt sah. Doch unabhängig davon hatte Silvia sehr deutlich ihr Interesse an dieser Infektionsserie bekundet und war verwundert, dass sie von dieser Häufung an Fällen noch nichts gehört hatte. Sie hatte Laurie uneingeschränkte Unterstützung zugesagt, sich ihre direkte Durchwahlnummer geben lassen und versprochen, sich noch einmal zu melden, sobald sie nachgefragt hatte, ob vielleicht sonst jemand am CDC etwas von dieser kleinen Epidemie gehört hatte. Außerdem hatte sie zugesagt, Rivas Proben noch einmal genau unter die Lupe zu nehmen, um sicherzugehen, dass sie einander nicht nur ähnelten, sondern tatsächlich genau denselben Stamm besaßen.
Schließlich hatte Laurie noch bei der Joint Commission for Accreditation of Healthcare Organizations angerufen, der Aufsichtsbehörde für sämtliche im Gesundheitswesen tätigen Organisationen. Cheryl konnte ihr keinen bestimmten Ansprechpartner nennen, und so war Laurie immer wieder aufs Neue mit jemandem verbunden worden, der ihr angeblich helfen konnte, bis sie schließlich im Angesicht des bürokratischen Schubladendenkens die Waffen gestreckt und aufgegeben hatte.
Als das Taxi am Straßenrand stehen blieb, reichte Laurie das Fahrgeld einschließlich Trinkgeld nach vorne. Dann stand sie vor einer beeindruckenden, modernen Hochhausfassade aus grün getönten Glasscheiben, die von senkrechten Marmorträgern eingefasst waren. Der Name Angels Orthopedic Hospital war in einen giebelförmigen, marmornen Türsturz über dem Haupteingang eingraviert. Ein livrierter Türsteher stand auf dem Bürgersteig. Eine geschwungene Rampe führte zu einer Krankenwagenschleuse, einem Lieferanteneingang und einem mehrstöckigen Parkhaus auf der Rückseite des Gebäudes.
Noch beeindruckender war jedoch das Innere. Laurie kam sich eher vor wie im Ritz-Carlton als in einem Krankenhaus. Jacks Beschreibung von heute Morgen stimmte genau. Der Fußboden war teils aus Parkett, teils aus Marmor, und der Informationsschalter sah eher aus wie eine Portiersloge, besetzt mit zwei nebeneinander sitzenden, uniformierten Männern in Anzug und Krawatte. Doch das Auffallendste war nicht etwa die Inneneinrichtung, sondern die Leere. Hier redete und rannte nicht alles durcheinander wie in einem normalen Krankenhaus. Abgesehen von den beiden Männern am Informationsschalter befanden sich nur noch zwei Personen in der großzügigen Empfangshalle. Sie saßen auf zwei einander gegenüberstehenden, elegant gepolsterten Sofas.
Laurie trat an den Informationsschalter und zog damit die ungeteilte Aufmerksamkeit beider Männer auf sich. Sie fragte nach Loraine Newman und sagte, dass sie einen Termin habe.
»Aber selbstverständlich, Madam«, erwiderte einer der Männer. Er griff nach dem Telefon und deutete nach einigen kurzen Worten auf eine Doppeltür links neben den Fahrstuhlschächten. »Miss Newman erwartet Sie in der Verwaltung.«
Laurie folgte den Anweisungen und schob sich durch die Tür. Die Verwaltungsabteilung war zwar zweckmäßiger eingerichtet als die Empfangshalle, aber immer noch luxuriöser als alle Krankenhäuser, die Laurie jemals von innen gesehen hatte. Es war ein breiter, lang gezogener Raum mit gläsernen Büroabteilen zu beiden Seiten, vor denen sich jeweils ein Sekretariatsarbeitsplatz befand. Die meisten Schreibtische waren besetzt, aber es hatte nicht den Anschein, als würde hier besonders viel gearbeitet. Nur ein paar
Weitere Kostenlose Bücher