Montgomery u Stapleton 02 - Das Labor
furchtbaren Schrecken. Immerhin war er so geistesgegenwärtig, der herannahenden Person - wer auch immer es sein mochte - den Rücken zuzukehren. In offensichtlicher Panik stürmte die Gestalt an ihm vorbei. Bevor der Mann verschwand, erhaschte Jack noch einen Blick auf die Nylon-Skijacke.
Diesmal reagierte er blitzschnell. Bevor die Flurtür zufiel, rannte er hin und stellte seinen Fuß in den Spalt. Als er sicher war, daß der Mann nicht sofort zurückkehren würde, betrat er den Flur und ließ die Tür hinter sich ins Schloß fallen. Neben einem von Drahtgeflecht umgebenen Fahrstuhlschacht führte eine Wendeltreppe nach oben. Vermutlich war der Fahrstuhl vorwiegend zur Beförderung schwerer Frachten vorgesehen, denn er war ziemlich geräumig, und die Türen schlossen nicht von den Seiten, sondern von oben und unten. Als Boden dienten lediglich ein paar grob behauene Bretter. Er bestieg den Fahrstuhl und drückte auf die fünf. Geräuschvoll ruckelte der Aufzug langsam nach oben. Im fünften Stock stieg er aus und stand vor einer schlichten, massiven Tür. Es war weder ein Name angebracht, noch gab es eine Klingel. In der Hoffnung, daß sich niemand in der Wohnung befand, klopfte er an die Tür. Als sich auch nach seinem zweiten, etwas lauteren Klopfen niemand meldete, versuchte er die Tür zu öffnen. Doch sie war abgeschlossen.
Da die Treppe noch weiter nach oben führte, stieg Jack hinauf, um eventuell auf das Dach zu gelangen. Die Tür zum Dach ließ sich ohne weiteres öffnen, doch um sich nicht auszusperren, mußte er irgendeinen Gegenstand zwischen die Tür und den Türrahmen schieben. Direkt neben der Tür entdeckte er ein etwa fünf mal zehn Zentimeter großes Stück Holz, das wahrscheinlich genau für diesen Zweck gedacht war.
Er schob den Holzscheit in den Türspalt und trat hinaus auf das dunkle Dach. Vorsichtig ging er hinüber zur Straßenseite des Gebäudes. Der gewölbte Handlauf der Feuertreppe zeichnete sich gegen den Nachthimmel ab.
An der Dachkante angelangt, umklammerte Jack das Geländer und sah hinunter. Der Ausblick versetzte ihn in Panik; bei dem Gedanken, dort hinuntersteigen zu müssen, bekam er wackelige Knie. Doch gerade mal drei Meter tiefer lag der Absatz für die fünfte Etage, erleuchtet von dem aus der Wohnung fallenden Licht.
Jack wußte, daß er sich diese Chance nicht entgehen lassen durfte - Phobie hin oder her. Er mußte zumindest einen Blick durch das Fenster werfen. Zuerst setzte er sich auf die Dachkante und verbot sich, nach unten zu sehen. Dann umklammerte er mit beiden Händen das Geländer und stand auf. Mißtrauisch konzentrierte er sich auf jede einzelne Stufe. Er ging sehr langsam, und als er den Absatz erreichte, hatte er den Blick nicht ein einziges Mal von seinen Füßen gewendet.
Die eine Hand weiterhin fest um das Geländer geklammert, beugte er sich ein wenig vor und lugte durch das Fenster. Er hatte richtig vermutet: Es handelte sich um eine Privatwohnung. Der Raum war durch eine etwa zwei Meter hohe Trennwand in zwei Bereiche aufgeteilt. Direkt vor ihm befand sich der kleinere Teil mit einem Bett auf der rechten Seite und einer kleinen Küchenzeile an der gegenüberliegenden Wand. Auf einem runden Tisch entdeckte er die Überreste seines Pakets. Der Holzkeil und das zerknüllte Zeitungspapier lagen auf dem Fußboden.
Am meisten aber interessierte sich Jack für etwas, von dem er hinter der Trennwand nur die oberste Kante erkennen konnte: Es war ein Gerät aus rostfreiem Stahl, das absolut nicht so aussah, als hätte es irgend etwas in einer Wohnung zu suchen. Da das Fenster einladend offenstand, konnte Jack seinem Drang, das Apartment auch von innen zu inspizieren, nicht widerstehen. Außerdem konnte er dann später durch das Treppenhaus verschwinden und würde nicht noch einmal die grauenvolle Feuertreppe betreten müssen.
Obwohl er stur geradeaus sah und jeden Blick nach unten vermied, brauchte er ein paar Sekunden, bevor er sich dazu überwinden konnte, das Geländer loszulassen. Schweißnaß vor Angst ließ er sich kopfüber in die Wohnung gleiten. Als er wieder festen Boden unter den Füßen hatte, verspürte er nicht die geringste Lust, noch einmal aus dem Fenster zu sehen. Doch es half nichts; er mußte noch einmal einen Blick auf die Straße werfen, um sich zu vergewissern, daß der Mann in der Skijacke nicht im nächsten Augenblick zurückkam. Die Luft schien rein zu sein.
Zufrieden drehte er sich um und nahm die Wohnung in Augenschein. Von
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