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Moorehawke 01 - Schattenpfade

Moorehawke 01 - Schattenpfade

Titel: Moorehawke 01 - Schattenpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiernan Celine
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auch jetzt ein kleiner Kessel darüber, in dem Schüssel, Schere und Pinzette vor sich hin brodelten. Der Stapel blutbefleckter Tücher lag ordentlich an der Seite, daneben zusammengeknüllt Razis Hemd.
    Christopher stand mit dem Rücken zu ihr am Fenster, bläulich beleuchtet vom Mond. Er drehte sich nicht um, und als er schließlich antwortete, war seine Stimme belegt, er musste sich räuspern, um ein Wort herauszubringen. »Braucht er mich?«
    »Nein. Ich habe ihn überredet, sich ein wenig auszuruhen. Ich wollte ihm frische Kleider holen, seine sind durchweicht vom Schweiß.«
    Er nickte. »Ich bringe sie gleich.«
    Wynter wandte sich schon zum Gehen, dann hielt sie inne. Er sah so einsam aus. »Christopher …«, setzte sie an, doch sie wusste nichts zu sagen. Er blieb mit dem Rücken zu ihr am Fenster stehen, und ihr fiel nicht ein, wie sie ihn trösten konnte. Also machte sie einfach kehrt und lief zu Razi zurück, der am Tisch eingeschlafen war, ein angebissenes Stück Brot in der Hand.

Folter
    W ynter stand in der Küche ihres alten Häuschens. Die Sonne fiel schräg durch die halb geschlossenen Läden und beleuchtete eine Vase mit weißen Mohnblumen auf dem sauber geschrubbten Tisch.
    Sie hatte schreckliche Angst. Ihr Herz hämmerte in der Brust, und ihr wurde fast schwarz vor Augen.
    Draußen wurden ihre Katzen ermordet. Sie konnte sie kläglich miauen hören, voller Furcht und Schmerz riefen sie einander. Nichts davon wollte sie sehen, doch sie konnte nicht anders – sie musste den Fensterladen zurückschlagen.
    Quer durch den Garten waren Wäscheleinen aufgehängt, vom Giebel der Werkstatt bis hinüber zum Stalldach. Die Katzen waren an den Hälsen aufgehängt, sie zeichneten sich schwarz gegen den weiß glühenden Himmel ab, die Wäscheleine schwankte unter ihrem Gewicht auf und ab. Da waren Dutzende, sie starben langsam, ihre Beine und Schwänze schlugen und zappelten durch die Luft, die Mäuler waren geöffnet, rosafarbene Zungen und nadelspitze Zähne blitzten in ihren aufgedunsenen Köpfen auf.
    Ihr grausiges Jammern, das hohe, erstickte Maunzen erfüllte die sonnenschwere Luft, und Wynter spürte Übelkeit in sich aufsteigen. Sie wusste, sie müsste einfach nur die Leinen durchschneiden, und die Katzen würden vielleicht überleben.
Doch sie hatte zu viel Angst, deshalb stand sie einfach nur da, während sich der schauerliche Lärm in ihren Magen und ihr Herz krallte.
    »Du kannst niemals einem König eine Freundin sein, Schwester.«
    Beim Klang der Stimme schrak sie zusammen und drehte sich um. Alberon saß am Tisch, die verschränkten Arme auf dem Holz ruhend.
    Er war zu einem schönen jungen Mann herangewachsen, das Ebenbild seines Vaters, dem König so gleich wie Razi ihm unähnlich. Die Sonne verwandelte seine rotblonden Locken in Flammen und seine Wimpern in Kupferfäden. Die markanten Gesichtszüge, der breite Mund und die schläfrigen blauen Augen waren noch genau wie in ihrer Erinnerung. Mit trauriger Zuneigung sah er sie an, und aus irgendeinem unerfindlichen Grund wollte sie bei seinem Anblick weinen; es lag keine Freude darin, nur bitterster Kummer.
    Er wandte sich von ihr ab und blickte aus dem Fenster, die Miene angeekelt verzogen, als er die Katzen sah. Er stand auf, blieb aber leicht gebückt, um weiterhin den Garten im Blick zu behalten. Schon jetzt war er so groß wie Razi, doch gleichzeitig hatte er diese breitschultrige, wuchtige Statur, die Jonathon glich – mehr Kraft als Anmut.
    »Was wir nicht alles tun«, sagte er mit trauriger Verwunderung. »Was wir nicht alles glauben, tun zu müssen.« Er deutete auf den Garten und sah Wynter mit seinen leuchtenden Augen an. »Hier kommen die letzten.«
    Wieder ertönte das grausige Kreischen. Mehr Katzen wurden vom Palast heruntergebracht, große Körbe voll, alle durcheinandergeworfen, kratzend, schreiend und verängstigt.
    Wynter rannte in die Ecke, die Hand auf den Mund gepresst. Sie musste sich übergeben …

    Sie erwachte in ihrem Sessel, allein. Doch das Schreien hörte nicht auf. Razi und Christopher waren gegangen, sobald Razi fertig angezogen war, und Wynter hatte sich mit dem festen Vorsatz, auf ihre Rückkehr zu warten, in den Sessel gesetzt. Sie musste wohl eingedöst sein – die Kerzen waren alle heruntergebrannt. Zwei Stunden vielleicht? Und jetzt war die Luft von Schreien erfüllt. Hohl und dünn, aber dennoch kein Traum. Sie sprang ans Fenster, und noch ehe sie den Orangenhain unter sich erkennen konnte, wusste

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