MoR 03 - Günstlinge der Götter
Hirtuleius hielt, und danach im Mondlicht zu marschieren, damit er keinen Staub aufwirbelte, der seine Ankunft am Júcar hätte verraten können! Meine Spanier haben recht, dachte Sertorius. Als Diana verschwunden ist, habe ich mein Glück verloren. Fortuna begünstigt mich nicht mehr.
Wie ihm gemeldet wurde, hatten das Kind und das alte Weib offensichtlich darauf verzichtet, weiter nach Süden zu marschieren. Sie hatten sich, nachdem sie das Schlachtfeld aufgeräumt und das unglückliche Saetabis all seiner Nahrungsmittel beraubt hatten, mit ihren Heeren nach Norden gewandt. Nun, das war gut gedacht. Es war schon Sextilis, und sie hatten noch einen weiten Weg vor sich, bevor das Kind es sich im Winterlager würde bequem machen können. Was aber hatte das alte Weib im Sinn? Würde Metellus Pius nach Hispania Ulterior zurückkehren, oder würde er das Kind auf dem ganzen Weg in den Norden begleiten? Quintus Sertorius hatte eine böse Müdigkeit an sich entdeckt, die nicht nachgeben wollte, und so kam er zu dem Schluß, daß er seine Wunden nun genug geleckt hatte. Er würde dem alten Weib und dem Kind auf ihrem Weg nach Norden folgen und dabei möglichst großen Schaden anrichten, ohne es auf eine weitere direkte Konfrontation ankommen zu lassen.
Sein Lager war schon abgebaut, und seine Armee rückte gerade ab, wobei die Guerillaeinheiten die Vorhut bildeten, da traten zwei kleine Kinder aus der Gegend schüchtern auf ihn zu. Ihre nackten Füße waren noch brauner als ihre nackten Körper, und sie trugen leuchtende Goldkügelchen in der Nase und in den Ohren. Zwischen ihnen ging mit einem kostbaren Familienstrick um den Hals ein dreckverkrustetes braunes Hirschkalb. Tränen traten Sertorius in das verbliebene Auge — wie nett, wie freundlich von den Kindern! Sie hatten gehört, daß sein wundervolles, gottgegebenes weißes Hirschkalb verschwunden war, und nun wollten sie ihm ihr eigenes Tier als Ersatz anbieten.
Er drehte den Kopf, um die Kinder mit der verstümmelten Hälfte seines Gesichts nicht zu erschrecken, und ging in die Hocke. Zu seiner Überraschung begann das Tier bei dieser Geste sofort wild zu zappeln. Wie seltsam, Tiere kannten doch sonst keine Furcht vor Quintus Sertorius!
»Habt ihr mir euer Kälbchen gebracht?« sagte er sanft. »Vielen Dank, aber ich kann es leider nicht annehmen. Ich breche gerade auf, um gegen die Römer zu kämpfen, und es wäre mir viel lieber, wenn ihr es behalten würdet. Bei euch ist es sicher!«
»Aber es ist doch deins!« rief das Mädchen.
»Meins? Aber nein! Mein Hirschkalb war weiß.«
»Es ist weiß«, sagte das Kind, spuckte sich in die Hand und rieb ein Stück Fell des Kälbchens sauber. »Siehst du?«
In diesem Moment hatte das Tier es geschafft, sich von dem Seil zu befreien und sprang auf Sertorius zu. Die Tränen liefen ihm in Strömen über die Wange, als er es in die Arme schloß und es streichelte und küßte und gar nicht mehr loslassen wollte. »Diana! Meine Diana!« murmelte er unablässig.
Als die Kinder mit ihrem Familienstrick davongeschickt wurden, lag dieser in einem Sack voller Gold, den ein Sklave bei ihren Eltern abliefern mußte. Quintus Sertorius aber badete sein Kälbchen in einer nahegelegenen Quelle, wobei er es einer genauen Inspektion unterzog. Warum es auch immer verschwunden sein mochte, der Aufenthalt in der Wildnis hatte ihm jedenfalls gar nicht gut getan: Eine große Raubkatze mußte es angefallen haben, denn seine beiden Flanken waren von tiefen, halbverheilten Narben gezeichnet, die von scharfen Krallen stammten. Die Raubkatze mußte es von hinten angesprungen und zu Boden geworfen haben. Wie es diesem Angriff entkommen war, wußte nur die Gottheit — aber vielleicht hatte sie das Wunder ja selbst bewerkstelligt.
»Nun, Diana«, sagte Sertorius, als er das Kalb in einer Kiste auf die Ladefläche eines Wagens stellte, »ich hoffe, du hast gelernt, daß die Wildnis nur für Wilde gut ist. Hast du einen männlichen Hirsch gerochen? War es das? Oder haben dich die Lagerhunde gepiesackt? In Zukunft wirst du auf diese Art reisen, mein Kleines. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, daß ich dich noch einmal verlieren könnte.«
Die Nachricht hatte sich in Windeseile verbreitet; Diana war wieder da! Und mit ihr das Glück des Sertorius.
Pompeius und Metellus Pius hatten Valentia hinter sich gelassen und marschierten auf Saguntum zu. Die Nahrungsmittel, die sie in Saetabis geraubt hatten, waren eine willkommene Ergänzung ihrer
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