MoR 03 - Günstlinge der Götter
nach dieser Nachricht traf ein offizieller Brief des Königs Mithridates ein, in dem dieser behauptete, Bithynien gehöre Nysa, der erwachsenen Tochter des Königs Nikomedes, und er, Mithridates, habe seine Truppen in Marsch gesetzt und werde Nysa zu ihrem rechtmäßigen Thron verhelfen. Niemand nahm den Brief ernst. Von der Tochter des verstorbenen Königs hatte man seit Jahren nichts gehört. Wir gaben Mithridates in knappen Worten den Bescheid, daß wir einen Anwärter auf den Thron von Bithynien nicht anerkennen würden, und mahnten ihn, innerhalb der Grenzen seines Reiches zu bleiben. Auf unsere Drohungen benahm er sich gewöhnlich wie eine Schnecke, die sofort die Fühler einzieht, wenn sie Widerstand spürt, daher kümmerte sich niemand mehr um die Sache.
Niemand, außer meinem Bruder. In den langen Jahren, die er im Osten gelebt und Krieg geführt hatte, hatte er ein besonderes Gespür entwickelt: Er roch den kommenden Krieg. Er versuchte sogar, im Senat über die Kriegsgefahr zu sprechen, erntete jedoch nur Gähnen. Im nächsten Jahr sollte er das italische Gallien übernehmen. Als er dieses Los am Neujahrstag gezogen hatte, war er überglücklich, denn er hatte befürchtet, der Senat könnte Pompeius Hispania Citerior wegnehmen und statt dessen ihm geben. Deswegen hatte er sich im Senat stets so entschieden für Pompeius eingesetzt. Er hätte alles andere lieber genommen, nur nicht Hispania Citerior!
Wie dem auch sei, als wir Ende April erfuhren, daß Lucius Octavius in Tarsos gestorben war, bat mein Bruder darum, man möge ihm Cilicia anvertrauen und das italische Gallien einem der Prätoren. Es drohe Krieg mit König Mithridates. Und wie verhielten sich die Senatoren angesichts dieser bösen Vorzeichen? Sie verharrten in ihrer Trägheit und gähnten wiederum nur gelangweilt! Alles, was Mithridates vor fünfzehn Jahren getan hatte, schien vergessen, daß er achtzigtausend unserer Leute in der Provinz Asia hingemetzelt und das Land besetzt hatte, bis ihn Sulla dann wieder vertrieb. Die eingeschriebenen Väter redeten und redeten... ohne einen Beschluß zu fassen.
Als es dann hieß, Mithridates sei auf dem Vormarsch und stehe mit dreihunderttausend Mann vor Herakleia, hätte man annehmen können, nun werde etwas geschehen. Nein, mitnichten. Der Senat konnte sich nicht einigen, welche Maßnahme ergriffen, geschweige denn, wer in den Osten entsandt werden sollte. Irgendwann stand Philippus aufund schlug vor, der Oberbefehl im Osten solle Pompeius Magnus gegeben werden. Letzterer ist allerdings viel interessierter daran, seinen angeschlagenen Ruf in Spanien wieder aufzupolieren.
Schließlich tat mein armer Bruder etwas, für das er sich selbst verachtete — er ging zu Praecia. Du kannst Dir denken, daß er anders mit der Dame umging als Marcus Antonius. Lucullus ist zum Schmeicheln zu aufrichtig und zum Betteln zu stolz. Statt kostspieliger Geschenke, schmachtender Seufzer und Liebes- schwüre gab er sich sehr trocken und geschäftsmäßig. Der Senat sei eine Ansammlung von lauter Narren, er habe die Nase voll, dort seine Zeit und Energie zu verschwenden. Dagegen habe er immer sagen hören, daß Praecia einen scharfen Verstand und eine ausgezeichnete Bildung besitze. Sie müsse doch erkennen, daß es notwendig sei, jemanden in den Osten zu schicken, der Mithridates’ Vormarsch Einhalt gebieten könne. Und daß der Mann, der sich am besten für diese Aufgabe eigne, er, Lucius Licinius Lucullus, sei. Wenn sie aber diese Notwendigkeit einsehe, könnte sie dann nicht Cethegus Beine machen, damit er endlich etwas in dieser Sache unternehme? Offensichtlich hat es ihr sehr gefallen, daß man von ihr sagte, sie sei scharfsinniger und gebildeter als alle Senatoren — und sie zählte wohl auch Cethegus dazu! —, denn sie muß daraufhin Cethegus mächtig zugesetzt haben: Plötzlich faßte der Senat einen Beschluß.
Das italische Gallien sollte einem noch zu bezeichnenden Prätor gegeben werden, während mein Bruder Cilicia erhielt. Er wurde angewiesen, sich noch während seines Konsulats in den Osten zu begeben und am ersten Tag des kommenden Jahres das Amt des Statthalters in der Provinz Asia zu übernehmen, zu der weiterhin Cilicia gehörte, Juncus, dessen Amtszeit in Asia eigentlich verlängert werden sollte, muß Ende des Jahres nach Rom zurückkehren. Nach den vielen Beschwerden, die wegen seiner Amtsführung in Bithynien eingegangen waren, stimmte der Senat einhellig für seine Ablösung.
In Italien steht
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