MoR 05 - Rubikon
oder Nervier.«
»Sie können am Meer Fische und Aale fangen und Vogeleier sammeln«, sagte Trebonius.
»Danke bestens, ich bin mit Süßwasserfischen vollauf zufrieden, und meine Diener können Hühner halten.«
»Caesar ist überzeugt, daß es Unruhen geben wird.«
»Entweder das, oder er braucht eine Entschuldigung dafür, daß er diesen Winter nicht ins italische Gallien zurückkehrt.«
»Wie?«
»Er will nicht all den Römern begegnen, Trebonius! Von Salona bis Ocelum würde man ihm das Beileid aussprechen, und er müßte den ganzen Winter in Panik davor verbringen, daß er zusammenbricht und die Fassung verliert.«
Trebonius blieb stehen und starrte Labienus mit seinen traurigen grauen Augen verblüfft an. »Ich wußte gar nicht, daß du ihn so gut kennst, Labienus.«
»Ich bin bei ihm, seit er in Gallien ist.«
»Aber die Römer finden es nicht unmännlich, wenn jemand weint!«
»Als junger Mann hatte Caesar auch keine Angst vor Tränen.
Aber damals war er nur dem Namen nach ein Caesar.«
»Wie?«
»Jetzt ist das kein Name mehr«, sagte Labienus geduldig, »sondern ein Symbol.«
»Ach so!« Trebonius ging weiter. »Ich vermisse Decimus Brutus!« sagte er plötzlich. »Sabinus ist kein Ersatz.«
»Der kommt schon wieder. Ihr sehnt euch doch alle gelegentlich nach Rom zurück.«
»Außer dir.«
Caesars erster Legat grunzte. »Ich weiß, wo es mir gut geht.«
»Ich auch. Samarobriva! Stell dir vor, Labienus, ich werde in einem richtigen Haus mit Fußbodenheizung und Badewanne wohnen!«
»Weichling«, knurrte Labienus.
Vom Senat war eine umfangreiche Korrespondenz eingegangen. Sie hatte vor allem anderen Vorrang und hielt Caesar drei Tage beschäftigt. Vor dem Holzhaus des Feldherrn vollzog sich der Abmarsch der Legionen in ihre Winterquartiere, doch entstand dabei kaum Unruhe oder Lärm; die Schreibarbeit konnte ungestört abgewickelt werden. Sogar dem trägen Gaius Trebatius wurde dabei heiß, denn Caesar hatte die Gewohnheit, gleich drei Schreibern zugleich zu diktieren. Er ging zwischen den über ihre Wachstafeln gebeugten Männern hin und her, diktierte jedem einige schnell hingeworfene Sätze und ging dann zum nächsten weiter, ohne je Themen und Gedanken durcheinanderzubringen. Es war diese ungeheure Leistungsfähigkeit, die ihm Trebatius’ Herz gewonnen hatte. Wie hätte man einen Mann hassen können, der so viele Dinge zugleich betreiben konnte.
Zuletzt mußte auch die persönliche Post erledigt werden, denn von Rom trafen täglich neue Briefe ein. Von Portus Itius nach Rom waren es achthundert Meilen über Straßen, die sich in Gallia Comata bei Regen oft in Flüsse verwandelten und erst tief im Süden der römischen Provinz in die Via Domitia und die Via Aemilia übergingen. Caesar beschäftigte eine Gruppe von Kurieren, die ständig zu Pferd oder mit dem Schiff zwischen Rom und seinem jeweiligen Aufenthaltsort unterwegs waren; er erwartete von ihnen ein Pensum von mindestens fünfzig Meilen am Tag. Die neuesten Nachrichten aus Rom bekam er also schon rund zwei Wochen später, und er stellte dadurch sicher, daß die räumliche Entfernung seinem Einfluß nicht schadete. Tatsächlich wuchs sein Einfluß mit derselben Geschwindigkeit wie sein stetig zunehmender Reichtum. In Britannien mochte nicht viel zu holen gewesen sein, in Gallien dafür um so mehr.
Caesar hatte einen freigelassenen germanischen Sklaven namens Burgundus, den er von Gaius Marius geerbt hatte, als dieser in Caesars dreizehntem Lebensjahr gestorben war. Es war ein Glücksfall gewesen; Burgundus war zum unverzichtbaren Begleiter des Jünglings und dann Mannes geworden. Bis vor einem Jahr hatte er Caesar noch begleitet, doch dann hatte Caesar ihn nach Rom geschickt, wo er sich um die Ländereien, die Mutter und die Frau seines Herrn kümmerte. Burgundus stammte von den Kimbern ab und kannte die Geschichte seines Volkes, obwohl er noch ein Kind gewesen war, als Marius die Kimbern und Teutonen vernichtet hatte. Burgundus zufolge hatten die beiden Stämme den Stammesschatz bei ihren Verwandten, den Atuatucern, zur Aufbewahrung gegeben, bei denen sie den Winter vor ihrer Invasion in Italia verbracht hatten. Nur sechstausend von insgesamt über einer Dreiviertel Million Männer, Frauen und Kindern hatten Marius’ Gemetzel überlebt, waren ins Land der Atuatucer zurückgekehrt und in diesem Stamm aufgegangen. Und bei den Atuatucern war auch der Schatz der Kimbern und Teutonen geblieben.
In seinem zweiten Jahr in Gallien
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