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Mord am Oxford-Kanal

Mord am Oxford-Kanal

Titel: Mord am Oxford-Kanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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ansteckende
Vitalität aus, die einfach alle in ihren Bann schlug. Woran das genau lag, ließ
sich schwer sagen. Es war das Blitzen ihrer Augen, wenn sie sprach, die Art,
wie sie genießerisch mit der Zunge in die Mundwinkel fuhr, nachdem sie in einem
Wirtshaus Lammkoteletts und Erbsen gegessen hatte, und das aufreizende Lachen,
mit dem sie die Männer zum Trinken animierte, während sie selbst sich unter
Kontrolle behielt. Oldfield hatte sie besessen — dessen war sich Wootton
ganz sicher. Er hatte sie in einem der dunklen Tunnel genommen, während er,
Wootton, für sechs Shilling ihm die Arbeit abgenommen und den Kahn mit den
Beinen vorwärts gestoßen hatte. Und die ganze Zeit war ihr Stöhnen zu ihm
gedrungen, während sie es in der Kabine miteinander getrieben hatten. Später,
ein Stück weiter südlich, war es Towns gewesen, der gegen dieselbe Bezahlung
Oldfields Arbeit übernommen hatte. Beide Männer, Towns und auch Musson, der
dürre Musson mit den lüsternen Augen, hatten bald herausgehabt, was da vor sich
ging, und wollte auch mit dabeisein. Streit lag in der Luft, und tatsächlich
war Towns bei einer Gelegenheit auf Musson mit einem Messer losgegangen.
    Jetzt reichte Wootton Joanna
wie verabredet die Laterne. Die Nacht war windstill, und die Flamme flackerte
nur leicht, als Joanna von Bord sprang. Gleich darauf war sie im Dunkeln
verschwunden, und Wootton sah wieder geradeaus auf das Wasser vor sich, und ein
befriedigtes Lächeln spielte um seinen weichlichen Mund.
    Natürlich war es nicht
ungewöhnlich, daß weibliche Passagiere in ziemlich regelmäßigen Abständen von
einem Kanalboot ans Ufer sprangen: Frauen verrichteten ihre Notdurft immer ein
wenig umständlicher als Männer. Doch Joanna würde in dieser Nacht vielleicht
ein wenig länger als gewöhnlich verschwunden sein — so hatte sie gesagt.
    Sie stand verborgen im
Unterholz und beobachtete den Umriß des Bootes, der mehr und mehr mit der Nacht
verschmolz. Dann, als sie nach ihrer Schätzung außer Hörweite der Besatzung
war, rief sie den Namen des Mannes — ohne daß anfangs jemand antwortete; dann
wieder und ein drittes Mal — bis sie in den Büschen neben sich, die an die
Steinmauer eines großen Herrenhauses grenzten, eine raschelnde Bewegung hörte —
und ein unterdrücktes, nervöses «Sch!»
    Die Nachtluft war still, und
ihre Stimme war weit über dem Kanal zu hören gewesen, so daß der junge Mann am
Bug und der Mann mit dem gleichmütigen Pferd sich gleichzeitig umdrehten und in
die Dunkelheit spähten. Doch sie konnten nichts erkennen; und da sie nichts
mehr hörten, dachte keiner von ihnen weiter darüber nach.
    Aber einer der Männer, der
angeblich schlief, hatte die Stimme ebenfalls gehört!
    Währenddessen waren Joanna und
ihr Komplice, sich im Schatten haltend, verstohlen an der Reihe kleiner,
steingrauer Häuser mit Terrassen entlanggehuscht, die den Kanal bei Thrupp
säumten; dann glitten sie unbemerkt an den verdunkelten, stummen Fenstern des Boat
Inn vorüber und bewegten sich jetzt unbefangener durch die kurze
heckengesäumte Gasse, die zur Oxford-Banbury-Highway führte.
    Die Barbara Bra y hatte
auf den nächsten drei Meilen die Schleusen von Roundham, Kidlington Green und
Shuttleworth zu überwinden — letzteres nur wenig nördlich von jenem dreieckig
geformten Abschnitt des Kanals, der bekannt war als Duke’s Cut. Während die Barbara
Bray die Schleusen passierte, hätten sie, so hatten sich Joanna und ihr
Begleiter ausgerechnet, genug Möglichkeiten, ihr Vorhaben durchzuführen. Das
würde ganz einfach sein. Viel schwieriger war es gewesen, sich während all der
Tage für irgendwelche Stellen unterwegs zu verabreden, und Oldfield mußte auch
etwas gemerkt haben, denn seit gestern hatte er Joanna zunehmend argwöhnischer
angesehen, wenn sie wieder einmal zur Tages- oder auch zur Nachtzeit das Schiff
verlassen hatte. Aber sie hatte genau gewußt, wie sie sein Mißtrauen immer
wieder hatte besänftigen können.
    «Ist alles bereit?»
    Er nickte kurz. «Still jetzt!»
    Sie gingen zu einem Planwagen
hinüber, der an einer Buche festgebunden war. Zwischen den Deichseln stand mit
gesenktem Kopf eine Schecke. Ab und zu trat der Mond zwischen den Wolken
hervor, nirgendwo war eine Menschenseele zu sehen.
    «Das Messer?» fragte er.
    «Ich habe es geschärft.»
    Er nickte befriedigt.
    Sie zog ihren Mantel aus und
gab ihn ihm, nahm dann einen anderen Mantel von ihm entgegen, ihrem eigenen
sehr ähnlich, aber aus billigem

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