Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)
sich sichtlich unwohl in seiner Rolle als Gigolo! Sie hatten ihm einen Schnauzer angemalt und die Haare mit Gel an den Kopf gepappt. Das war ganz entschieden unter seiner Würde! Der Arme! Wie gern hätte er mit Anna und mir am Tisch gesessen und gelästert und gelacht!
Wir mochten Friedemann Gottlieb inzwischen richtig gern. Er war hundekuchengut. Nie würde er auch nur einer Fliege was zuleide tun.
Auch Fred Hahn war unter den Gigolos. Mit seiner angeklebten Frisur, dem schmalen Schnauzer und dem Monokel sah er noch machohafter aus als sonst. Mein treuer Freund Larry-holschon-mal-das-Mikro machte als Gigolo eine ausgesprochen gute Figur.
Die drei Warmduscher sahen bescheuert aus in ihrem Zwanziger-Jahre-Outfit. Na ja. Sie sahen eigentlich immer bescheuert aus.
Die Gigolos verteilten Tanzkärtchen an die speisenden Damen. Jeder Gutschein versprach einen Tanz mit dem Gigolo ihrer Wahl.
Sah ich recht? Näherte sich Gigolo Fred Hahn unserem Zweiertisch im Eckchen? Chefsteward Gerald Gier zog irritiert eine Augenbraue hoch und verdrückte sich mit seiner Champagnerflasche, aus der er gerade diskret nachschenken wollte.
»Die Damen?!« Fred machte einen artigen Diener.
»Der Herr?!«
»Ich kann nicht tanzen«, sagte Fred, indem er einen Stapel Kärtchen auf den Tisch legte. »Aber ihr könntet mich gerade deshalb aus einer mißlichen Lage befreien.«
Ich bin ein gutherziger Mensch.
O.K., ich morde manchmal, wenn mir einer zu nahe tritt. Aber wenn mich jemand lieb um etwas bittet, kann er mich um den Finger wickeln. Das ist allgemein bekannt.
Also raffte ich die gesamten Tanzkärtchen an mich und sagte huldvoll: »Wir sehen uns später.«
Anna widmete sich interessiert dem interessant schmeckenden Pfefferminzbeutel-Sorbet an Schafskäse mit Zimt.
Fred verschwand im Kreise seiner Gigolos.
»Liebst du ihn noch?«
»Nein. Ich glaube nicht.«
»Aber du hast so viel darum gegeben ...«
»Ja«, sagte ich, indem ich gedankenverloren an meinem VierGeschmacksrichtungen-Sorbet nippte, »das habe ich wohl. Zu viel. Das wird’s wohl sein.«
Im »Fürst-Rainier-Saal« war aber was los! Mindestens zwanzig Paare wogten und walzten auf der Tanzfläche herum! Mein armer Fred kämpfte gerade mit einer älteren Dame, die ganz und gar nicht akzeptieren wollte, daß er, ein professioneller Gigolo, nicht tanzen konnte! Fast hätte sie ihm mit ihrem Stockschirm eins über die Rübe gehauen!
Anna und ich betrachteten die Szene von Deck sieben aus, von der Brüstung.
»Nun befreie ihn doch schon!«
»Ich weiß nicht. Warum sollte ich!«
»Komm! Vergelte nicht Gleiches mit Gleichem! Das ist nicht dein Niveau!«
»O.K., ist ja schon gut!«
Ich knallte mein Champagnerglas auf die Bar und stöckelte die Freitreppe hinab. Prinzessin Caroline von Monaco lächelte von der Wand auf mich herunter.
»Darf ich bitten?«
»NEIN! Dieser Tanz gehört MIR!«
»Aber liebe Dame! Sie sehen doch! Dieser Mann KANN überhaupt nicht tanzen!«
»Deshalb kriegen Sie ihn trotzdem nicht! Und so was nennt sich Kreuzfahrtdirektor! Zu MEINER Zeit ...« Sie wollte ihn hauen. Ich kam mir überflüssig vor.
»Gnä Frau ...!« Ich fuhr herum. Oh! Der Herr Hoteldirektor! Hartwin Danz!
»Darf i bitt’n! Let’s dance!
Ich warf Fred einen bedauernden Blick zu. Versucht hatte ich’s. Und dann schwenkte mich dieses göttlich tanzende Streifenhorn im Kreis. Ich schwebte.
»Wie geht’s?« schnarrte er.
»Wunderbar!« Alles drehte sich. Wir umflogen geschickt die anderen Paare, beschrieben weite Kreise. Die Jungs von der achtköpfigen Bänd lachten und winkten mir zu, soweit das bei ihrer Beschäftigung möglich war.
»Hom S’ noch problems kriegt?«
»Biddä?«
»Ob Sie noch Be-läs-ti-gun-gen aus-ge-setzt wurr-dän!«
»N... Nein. Nicht, daß ich wüßte. Was für Belästigungen?«
»No, wegns dem picture. And about this dubious letter.«
»WAS?« Ich stolperte über meine eigenen Füße. Nicht schon WIEDER!! Wann war Schluß mit dieser Arie?! Ich wollte endlich meine Ruhe haben!
Harm Lohs tanzte an uns vorbei. Er hatte Anna im Arm. Die beiden waren ein schönes Paar.
Fred führte inzwischen die alte Dame zu ihrem Platz. Sie schüttelte böse den Kopf und hieb mit ihrem Stock auf den armen Fred ein.
Friedemann Gottlieb konnte AUCH kein bißchen tanzen! Der Arme! Er bezog gerade Dresche von einer sehr alten, dicken Frau, die mit zwei Krückstöcken auf ihn einschlug. Kein angenehmer Job. Ich überlegte, ob ich ihn retten sollte. Aber ich
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