Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)
hatte Lust auf diesen wunderbar tanzenden Hoteldirektor. Dieser Mann hatte Klasse!
»What are you doing tomorrow?!«
»Morgen ... was ist morgen?«
»Bombay, gnä Frau.«
Einmal ... noch nach Bombay, einmal ... nach Shanghai
»Ich ... werd mir wohl die Stadt ansehen«, sagte ich, während wir Tango tanzten. Mein Gott, konnte dieser Mann Tango tanzen! Wahnsinn!
»Wenn S’ bis two p.m. warten, I have a car at the harbour!«
»Ich ... wollte sowieso noch proben ...«, log ich. Ja, verdammt, mit DIESEM Mann durch Bombay schlendern ... das war nicht das Verkehrteste!
Hartwin Danz verstärkte seinen Griff und schwenkte ab übers Parkett.
Wahnsinn.
Es gibt ja eine Weisheit, die besagt, daß Männer genauso küssen, wie sie tanzen. Weiß Gott, dachte ich, was dieses Hörnchen mir noch für vergnügliche Stunden bringen wird.
Und auf einmal sah ich Fred, der gerade wieder ungeschickt mit einer alleinreisenden Dame auf dem Parkett herumwankte, mit ganz anderen Augen.
Nun würde ich Bombay sehen! Ich konnte es kaum erwarten! Um Punkt zwei stand ich an der Rezeption, mit einem bodenlangen, ärmellosen Kleid.
Hartwin Danz erschien in einem hellblauen Hemd und beigefarbenen, gut sitzenden Hosen. Er trug zum erstenmal Zivil, seit ich ihn kennengelernt hatte.
Kind, der Mann hat Geschmack, sagte Hättwich, die ich schon totgeglaubt hatte.
»Let’s go!« sagte Hartwin schlicht und schob mich vor sich her die Gangway hinab. »Wie geht’s?«
»Danke, gut!«
Dieser Mann war kein Schwätzer. Aber er war eine blendende Erscheinung, fürwahr.
Unter den neidischen Blicken der Passagiere und Crewmitglieder stieg ich mit ihm in einen bereitstehenden Wagen.
Der Fahrer, ein magerer junger Inder, fragte schüchtern, wohin er fahren solle.
Hartwin gab ihm auf Englisch barsche Befehle, und der junge Fahrer zuckte zusammen und zog die Schultern ein.
Hey, man, dachte ich. So redet man doch nicht mit einem Driver. Reiß dich doch mal am Riemen, Mensch.
»Wie geht’s?« schnarrte daraufhin der Hoteldirektor in meine Richtung.
»Danke, gut!« Dem fiel wohl auch nichts anderes ein. Diese Seebären sind alle keine Entertainer. Außer Fred, natürlich. Aber nun hatte ich Gefallen an diesem Halb-Ami mit dem steirischen Wortfetzen-Cocktail gefunden. Was war denn jetzt mit meinen Gefühlen für Fred?
Mit ihm hatte ich doch leben wollen! Leben und sterben!
Und auf einmal lösten sich alle meine Gefühle für ihn in Luft auf. Nur weil ein neues Streifenhorn meinen Weg gekreuzt hatte?
Ich starrte aus dem Fenster.
Kaum hatten wir den Hafen verlassen, umfing uns ein Gewühl von Menschen, Ochsenkarren, Pferdegespannen, Autos, die links fuhren, Hunden, Kindern, Bettlern, Gestalten ... ich glaubte zu träumen. Dies hier war doch nicht Wirklichkeit! Bombay war ein Schmelztiegel aus Tausenden von Sprachen, Lebensbedingungen, Rassen, Religionen. Alle zehn Millionen Bewohner der Stadt schienen auf dieser Straße unterwegs zu sein.
Unser Driver umrundete geduldig ein paar magere Kühe, die eine Kreuzung blockierten. Riesige rote Doppeldeckerbusse schoben sich durch den Verkehr, klapprige Karossen, Taxis, Mopeds, Fahrräder, zerlumpte Gestalten, die zu Fuß gingen ... es hupte ohne Unterbrechung. Das Hupen machte akustisch Bombay aus. Es gab tausend andere Geräusche, aber niemals verstummte das Hupen. Ich starrte aus dem Fenster. Tempel, Hotels, feine Villen, dann Slums, Slums, Slums, so weit das Auge reichte.
In den roten Doppeldeckerbussen Angestellte in weißen Hemden, mit feinem Gehabe, Sonnenschirm und Zeitung, aber direkt neben den Geschäftsleuten Bettler, Affenmenschen, Schlangenbeschwörer. Ein faszinierendes Durcheinander, in dem die britische Kolonialherrschaft ihre Spuren hinterlassen hatte. Die schimmernden Farben der Saris – feine, vornehme indische Frauen, die stolz und schön durch die staubigen Straßen wehten. Sonnengleißende Tempelwände vor dem glitzernden, schimmernden Hafengewässer, an dem wir entlangfuhren.
Kinder! Kleine Kinder! Winzige Kinder! Dünne, ausgemergelte Kinder! Ungepflegte, ungewaschene, strähnige schwarzhaarige Kinder, in Lumpen oder halb nackt. Sie alle liefen barfuß auf den vielbefahrenen Kreuzungen herum, hämmerten mit den flachen Händen an unser Fenster und machten die »Hunger-Essen!«-Geste. Ich konnte nicht hinschauen!
»Wie geht hier die Scheibe runter?«
»No way. The window is closed!« Hartwin sprach mit seinem lässigen amerikanischen Englisch mit dem indischen Fahrer, und dieser
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