Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)
unterschrieb ihre Strähnchen-Waschen-Fönen-Legen-Rechnung und drückte noch großzügig fünf Mark Trinkgeld ab. »Hier, für Sie, junger Mann.«
Lothar steckte den Heiermann in die Hosentasche.
Ich wendete mich scheinbar spontan an Frau Landmann. »Sie
kennen den Hoteldirektor?«
»Ja! Wir sind juhte Freunde!« prahlte die Alte.
»Würden Sie dann so lieb sein, ihm diese Nachricht zu überbringen?«
,Ich reichte ihr den Zettel, den ich vorher winzig klein gefaltet
hatte.
Lothar schaute mich fragend an. Ich warf ihm einen warnenden Blick zu: Schnauze, Junge.
Frau Landmann nahm den Zettel an sich. »Ich sehe ihn aber erst um Viertel neune auf ‘n Drink in der Bar ›Zum eitlen Fratz‹. Reicht det?«
Jetzt mußte ich pokern.
Wenn sie diskret war, würde sie den Zettel nicht lesen.
Dann würde sie auch nicht um 19 Uhr auf Deck drei sein.
Wo ich sie haben wollte.
Aber WAR Uschi Landmann diskret?! NEIN!
»Natürlich reicht das!« sagte ich liebenswürdig. »Wissen Sie, wir Künstler haben nämlich keinen Zutritt zu den Passagierzonen. Und da habe ich keine Chance, Herrn Danz eine Nachricht zukommen zu lassen. Ich bin Ihnen wirklich dankbar.«
Lothar sandte mir einen fragenden Blick. Du, Burkharda? Keinen Zutritt?
Ich beachtete ihn nicht.
Frau Landmann ging zur Tür. »Jetzt kann ich mich in Ruhe fertig machen, denn mein Mann is noch im Dampfbad.«
»Isser auch«, murmelte ich. Und da wird er noch ein ganzes Weilchen bleiben.
»Schönen Abend«, sagte ich, indem ich ihr die Tür aufhielt. »Und ... noch was: Die Sache ist vertraulich zu behandeln!«
»Na, det is Ehrensache«, sagte Frau Landmann, indem sie über den Gang davonrauschte.
Ich hatte schon gefürchtet, sie wolle nun im Dampfbad nach dem Rechten sehen, aber das tat sie natürlich nicht. Sie verschwand auf direktem Wege in der Damentoilette. Um in Ruhe den Zettel zu lesen.
Jetzt mußte ich nur noch die Sekunden zählen.
Im vorderen Treppenhaus auf Deck drei war um diese Zeit kurz vor dem Käpt’ns-Dinner niemand mehr. Alle Herrschaften waren auf ihren Kabinen und zogen sich um.
Ich drückte mich an der »Staff only“-Eisentür herum, und dann sah ich auch schon Frau Landmanns Beine die Treppe herunterkommen.
Ich öffnete die schwere Eisentür, wartete, bis ich sicher war, daß Frau Landmann mich auch wirklich gesehen hatte, und ließ die Tür dann mit Krachen hinter mir zufallen. Ein paar chinesische Wäscher schleppten Säcke durch den schmucklosen, weißgetünchten Gang. Ein Dicker mit Gummischürze kam gerade wieder aus der Jauchegrube. Er stank zum Gotterbarmen. Zwei Metzger schleppten ein totes Schwein an einer Stange an mir vorbei. Dort war der Kühlraum, dort der Motorraum ... Ein Getränkeautomat, ein Billardtisch, viele weiße Türen.
Ich ging langsam weiter, ohne mich umzudrehen. Die chinesischen Wäscher verschwanden hinter einer Eisentür. Mir gingen tausend Möglichkeiten durch den Kopf. Waschmaschine? Troccner? Nein. Zu viele Leute drin. Ich ging weiter.
An der Wand ein handgeschriebener Zettel: »Hallo, Leute, wer diesmal beim Shanty-Chor mitsingen möchte, soll aber wirklich zum Üben kommen! Und beim Schunkeln halten wir ein und dieselbe Richtung ein! Alkohol gibt’s danach! Gruß, Staffkapitän Hanno Hansen!«
Mehrere Türen mit Totenköpfen drauf, abwehrende Hände, »Danger«-Zeichen. Der Motorraum.
Hinter mir wurde die schwere Eisentür aufgezogen. Sie fiel nicht wie sonst krachend ins Schloß, sondern wurde bewußt leise geschlossen.
Ich schlenderte weiter. Mir würde schon was einfallen.
Der Kostümfundus lag hinten links. Ein wunderschöner Ort, um sich mit seinem Geliebten zu treffen. Genau. Das paßte. Ich schlüpfte hinein.
Drinnen standen Dutzende von Kisten mit Hüten, Federboas, Kostümen, Perücken. Der ganze Krimskrams von Rudi, dem Zauberer, lag auch hier herum. Und natürlich das Trapez-Gedöns von Natascha, seiner Frau. Ein riesiger Schrankkoffer enthielt die fünfundzwanzig Bühnenkleider der Sopranistin Caren Barbe, die für jede Arie, die sie sang, ein anderes Kleid und eine andere Perücke wählte. Auch das ganze Zubehör des Jongleurs stand hier herum. Alles in allem ein heilloses Durcheinander.
Wichtig war mir aber nur eines: das ein mal ein Meter große Bodenverlies, in dem die Ankerkette lag.
Harm Lohs, der goldige Kapitän mit der stoischen Ruhe, hatte mir dies alles einmal gezeigt.
Ich wußte sogar noch genau, hinter welchem Schrankkoffer der riesige Kantschlüssel lag, mit
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