Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)

Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)

Titel: Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
Vom Netzwerk:
trabte ich ins Fitneßcenter, das diesmal dunkel und leer war.
    Ich warf das Laufband an. Auf den Ohren das Weiterbildungsseminar aus dem Rusch-Verlag »Besser miteinander reden«, fing ich an zu rennen.

Keine Sekunde, aber auch nicht eine, konnte ich den Tag über an etwas anderes denken als an Fred.
    Meine Seele war weidwund, ich war ein angeschossenes Reh, eines, das bald auch an seiner Wand hängen würde, als Jagdtrophäe. Aber noch lief ich lebend herum! Ich war anders als die anderen! Ich war klug, lebenserfahren, selbstbewußt, reif, verheiratet, ja, ich hatte alle Voraussetzungen, mich von seinen Betthaserln gründlich zu unterscheiden.
    Ab zehn Uhr probte ich mit Lars-Dars, dieweil die dicke Diseuse mit der angeklebten Locke über dem linken Auge bösen Blickes im Saale saß und mich nicht aus dem rechten Auge ließ. Ach, Klara-Viktoria, dachte ich, während ich ihre besten Songs schmetterte. Ich will doch nichts von deinem Lars-Dars! Wenn du wüßtest, was träumen heißt! Ich liebe einen anderen! Und wie ich ihn liebe! Ich schlafe nicht mehr, ich esse nicht mehr, ich schwebe nur noch auf Wolken dahin, und ich bin bereit, in die unergründlichen Tiefen des Ozeans zu sinken, wenn ich dort unten auf dem Grunde sein wahres Herz finde.
    Gott, dachte ich, daß ich das noch mal erleben darf. So verliebt zu sein. So bedingungslos, verrückt, wundervoll, grund- und ziellos verliebt. In Rüdiger war ich NIE verliebt gewesen. Nie. Er war der Leiter des Kirchenchores, in dem ich meine behütete Jugend verbracht hatte. Und kurz nach dem Abitur durfte ich bei ihm mein erstes Solo singen. Danach durfte ich ihm für immer an der Orgel assistieren. Und mit zweiundzwanzig hatte ich ihn geheiratet. Eine richtig feine Vernunftehe. Aber ver-liebt?! Was bedeutet das eigentlich, ging es mir durch den Kopf. Die Vorsilbe »ver“ bedeutet immer, daß etwas ver-kehrt ist. Ver-dreht. Ver-dorben. Ver-rückt. Ver-fahren. Ver-liebt. O ja, das war ich. Wie oft hatte ich davon gelesen, gehört, im Kino hatte ich es schon so oft gesehen, im Theater, in der Oper, sogar in diesen lächerlichen, geschmacklosen Soaps im Fernsehen, daß man einander ver-fiel, gegen alle Vernunft, gegen den Rest der Welt. Was MUSSTE das für ein übermächtiges Gefühl sein, bar jeder Logik, unerklärlich für den Rest der Welt! Ach, Rüdiger, dachte ich, das mit dir, das ist doch eine völlig andere Baustelle. Du bist zu Hause, weit weg, auf deiner Orgelbank, und ich bin hier, kurz vor Australien, mit dem Mann, der mich und meine Seele vom Hocker reißt. Nur ER und ICH wußten um die letzte Nacht, nur ER und ICH fühlten so, wie wir fühlten. O Hättwich!! Ich will dich drücken und küssen und dein greises Haupt mit Tränen benetzen!!
    Warum kam er nicht im »Fürst-Rainier-Saal« vorbei? Er wußte doch, daß ich jetzt hier probte! Warum steckte er nicht seinen Kopf zur Tür rein?
    Alle kamen, alle steckten ihren Kopf zur Tür rein. Die vietnamesischen Putzmänner, die Stewardessen, die laut klappernd für den Vormittagskaffee die Tische eindeckten, Larry, der Tontechniker, dessen Assistent, der Kalte-Platte-Koch, alle, alle kamen herein und hörten mich singen und blieben andächtig stehen, um mir zu lauschen, und immer, wenn ich so ein Streifenhorn aus der Ferne sah, setzte mein Herzschlag aus, und ich dachte, ich müsse sterben. Aber es waren immer andere Streifenhörnchen, der Obersteward, der Hoteldirektor, der Ingenieur, ja sogar der Chefkoch steckte seinen Schädel zur Tür herein. Ich sang mir die Kehle aus dem Leib. Irgendwo auf diesem riesigen Schiff mußte er mich doch hören! Aber Fred kam nicht.
    »Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh’n, und dann werden tausend Märchen wahr. Ich weiß, so schnell kann keine Liebe vergeh’n, die so groß ist und so wunderbar!«
    Dann sang ich ganz persönlich für Fred:
    »Wir haben beide denselben Stern, und dein Schicksal ist auch meins, du bist mir fern und doch nicht fern, denn uns’re Seelen sind eins. Und darum wird einmal ein Wunder gescheh’n, und ich weiß, daß wir uns wiederseh’n!«
    Erschöpft hielt ich inne. Die Umherstehenden klatschten. »Volle Kanne gigantisch geil!« schrie Lars-Dars, während er seine schweißnassen Locken schüttelte.
    Und Klara-Viktoria blickte stumm in dem ganzen Saal herum.
    Da! Da näherte sich – von vorn – ein Streifenhorn!
    Da kam jemand zur Bühne!
    DAS war Fred, mein Traummann!
    ER, der Herrlichste von allen! Wie so milde, wie so gut!! Doch –

Weitere Kostenlose Bücher