Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)
trocken.
»Was ist denn jetzt hier mit ‘ner Kostprobe?« fragte der dicke Kapitän. »Von Ihren Künsten? – Meine Damen und Herren! Ich will was hören!«
Mein Herz fing an zu rasen. Sollte ich ...?
Sofort schleifte Klara-Viktoria ihren armen Lars-Dars zu dem weißen Flügel. Er verschüttete vor Schreck seinen Orangensaft, und die Nüßchen, die er ergattert hatte, fielen ihm aus der Hand.
Noch nicht mal essen durfte dieser arme Mann. Er mußte spielen. Die Diseuse mähte:
»Ein rätselhafter Schimmer, ein je ne sais pas quoi, liegt in den Augen immer bei einer schönen Frau. Doch wenn sich meine Augen bei einem vis à vis ganz tief in seine saugen, was sprechen dann sie?
Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt, denn das ist meine Welt und sonst gar nichts. Das ist, was soll ich machen, meine Natur: Ich kann halt lieben nur und sonst gar nichts. Männer umschwirrn mich wie Motten um das Licht, und wenn sie verbrennen, ja, dafür kann ich nicht. Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt, denn das ist meine Welt und sonst gar nichts.«
Fred Hahn warf mir einen gequälten Blick zu. Meine Augen saugten an seinen. Die Teichhühner wackelten pikiert mit den Köpfen.
Als die Diseuse fertig war, klatschte niemand. Es herrschte peinliche Stille. Das eine aufgetuffte Teichhuhn ließ sich auf einen weißbezogenen Sessel fallen. In dem Moment entfuhr dem Teichhuhn ein knatternder Pups. Alle starrten noch viel betretener vor sich hin. Außer mir. Ich fing an, hämisch und schadenfroh zu kichern, und Lars-Dars fing auch an zu kichern, und dann kicherten noch Mareike und Anna, und selbst die stets übellaunige Natascha wurde rot und giggelte in ihren Kaugummi hinein. Sogar Fred Hahn hustete in seinen vierstreifigen Ärmel.
Und, wie aufs Stichwort, wußte der nimmermüde Herr Professor Weißenreim ein passendes Gedicht, diesmal von Robert T. Odeman:
»Einer Königin entfuhr,
wenn auch ein ganz kleiner nur,
aber immerhin ein Ton,
als sie Platz nahm auf dem Thron.
Nachdem dies Malheur passiert,
standen alle sehr geniert.
Jeder blickte vor sich hin,
niemand auf die Herrscherin.
Doch ein junger Kapitän,
braungebrannt von Sturm und Böen,
der zur Audienz erschien,
stammelte: ›Vergebt mir, Queen!‹ ...«
Der Kapitän klatschte, indem er mit seiner fetten Zigarre an sein Champagnerglas haute. Fred Hahn klatschte auch. Wir waren alle begeistert. Ach, dieser Professor! Jede Situation wußte er zu retten!
Die beleidigten Teichhühner wanden sich ein bißchen und mußten gute Miene zum bösen Spiel machen.
Wir plauderten nett, und der Zauberer Rudi zauberte noch ein Kaninchen aus der Weintraubenschale der Bronzegestalt, und die Stewards füllten Champagner nach, aber ich wollte nur eins: Beachtung und Bewunderung von Fred. Er sollte einmal, ein einziges Mal »ja Wahnsinn, du« zu mir sagen.
»Herr Kapitän«, sprach ich mutig, indem ich mein Glas abstellte, »ich werde hier an Bord einen Chor gründen. Darf ich Ihnen eine erste Kostprobe geben?«
Des Kapitäns Schweinsäuglein ruhten wohlwollend auf mir.
»Aber bitte, junge Frau. Wenn’s nicht zu lange dauert, ich muß ... auf die Brücke, ich werde dort erwartet!«
Selbst der dicke Kapitän
muß mal auf die Brücke gehn,
um im Schatten dieser Brücken
einmal ordentlich zu f...
BURKHARDA!! Also BITTE!! SO was darf man nicht mal DENKEN!! Was ist das denn für ein Vokabular, dessen du dich befleißigst! Aber ich war so übermütig! Nur wer verliebt ist, kann es ganz verstehn, schwer ist der Anstand, schön das Danebenbenehm!
Ich wollte den Alten vorher noch ein bißchen in Stimmung bringen. In gewohnter Manier ordnete ich flink alle Umherstehenden in drei Gruppen und befahl: »Sie hier singen die Melodie von ›Der Mond ist aufgegangen‹. Das können Sie doch sicher, nicht?«
Alle schwiegen geschockt. Natascha mit dem Kaugummi verdrehte genervt die Augen. Der Zauberer Rudi verdrückte sich mit seinem verhaltensgestörten Karnickel in den Hintergrund.
Einzig der evangelische und der katholische Pfarrer nickten erfreut. Ich ordnete sie der ersten Gruppe zu.
»Und Sie«, sagte ich zur zweiten Gruppe, »singen auch die Melodie, aber zwei Viertel später und eine Quarte tiefer. Haben Sie das verstanden?« Natürlich. Das war doch wirklich nicht schwer zu verstehen. Meine Leute in Geilenkirchen verstanden so was.
Der Einhandsegler und mein lieber alter Professor waren in dieser Gruppe. Sie nickten hoffnungsfroh.
Ich war sicher, daß das
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